Marc Thiele
Es gibt einige Gründe hin und wieder mal in Mönchengladbachs Nachbarstadt Neuss zu fahren. Das jährlich im dortigen Globe-Theater stattfindende Shakespeare-Festival ist sicher einer. Gastronomisch halten sich meine Neusser Erfahrungen jedoch in Grenzen - ein Besuch im „Herzog von Burgund“ vor vielen Jahren war bis vor kurzem mein einziger kulinarischer Ausflug dorthin. Dann aber kamen Victoria und Theresa...
Die Düsseldorferin Victoria Fonseka und die Österreicherin Theresa Putz lernten sich bei der SAT.1 Kochshow „The Taste“ kennen, an der beide teilnahmen und in den Finalen ihren jeweiligen Staffeln den zweiten bzw. dritten Platz belegten. Eine Top-Leistung bei hohem fachlichen Anspruch unter den Argusaugen von Top-Köchen und Grundlage einer Freundschaft, die schlussendlich zur Eröffnung des „Port Victoria“ im Neusser Hafen führte. Man könnte denken, dass der Restaurantname mit der Lage im Hafen (engl. Port) und dem Vornamen der Gründerin (Victoria) zu tun hat, aber laut Fonseka ist es die Hauptstadt der Seychellen, auf denen ihre familiären Wurzeln liegen, eben (Port) Victoria.
Nun aber genug der Vorgeschichte und „Butter bei die Fische“. Manchmal haben die Sozialen Medien ja doch eine Existenzberechtigung, denn ohne Instagram wäre ich wohl in absehbarer Zeit erst einmal nicht auf das Port Victoria aufmerksam geworden. Mein Instagram-Feed quillt über von Restaurants, Food-Influencern, Bars und Bildern toll angerichteter Speisen, da bedarf es schon einigem, dass ich visuell hängen bleibe und neugierig werde. Port Victoria schaffte es mit einem Foto von drei angerichteten „The Taste Löffeln“ in Verbindung mit dem Namen „portvictoria_neuss“. Meine Neugierde war geweckt, aber es dauerte noch bis Anfang Januar, bis es dann so weit war und wir uns an einem regnerischen, diesigen Samstagabend zu viert nach Neuss aufmachten.
Ein wenig hatte der Weg durch den dortigen Hafen Ähnlichkeit mit einer anderen Serie, die früher öfter auf SAT.1 lief, den Edgar Wallace Filmen. Ältere Kaianlagen, diesiges Wetter, schummrig beleuchtete Lagerhallen. Jeden Moment rechnet man damit, dass der Frosch mit der Maske oder der Mönch mit der Peitsche irgendwo auftaucht, aber stattdessen sagt eine Stimme aus dem Off des Autos „Sie haben Ihr Ziel erreicht“.
Nach kurzer Parkplatzsuche betraten wir über die Außenterrasse den Gastraum des Port Victoria, wo wir nach kurzer Wartezeit freundlich in Empfang genommen wurden und man uns an unseren Tisch führte. Die zwei Räume des Restaurants, einer mit einer schön gestalteten, großen Bar, waren nahezu voll belegt und es herrschte eine einladende Atmosphäre, auch wenn es temperaturmäßig ein wenig kühl war. Trotz vieler angeregter Gespräche an den verschiedenen Tischen war der Lautstärkepegel absolut akzeptabel und man selber konnte sich problemlos unterhalten. Kaum hatten wir Platz genommen, kam Anja, die an diesen Abend für uns zuständig war, und fragte nach unseren Getränkewünschen. Als Aperitif bot sie uns jeweils ein Glas Taittinger Champagner, der dann auch nicht lange auf sich warten ließ.
Währen wir den Aperitif genossen, schauten wir uns den Gastraum genauer an. (Aus Rücksicht auf die anderen Gäste habe ich verzichtet hiervon Fotos zu machen) Die hellen Wände, teilweise mit großformatigen Bildern versehen, stehen im Kontrast zur dunklen Möblierung aus Holztischen und mit Leder bezogenen Sitzmöbeln. Edel und stylisch und doch klassisch sieht es aus und es ist gemütlich.
Nun war es Zeit sich der Speisekarte zu widmen. Das Port Victoria verfolgt ein Food Sharing Konzept. Die Speisen kommen in die Mitte und alle am Tisch können sich davon bedienen. Nach längerer Betrachtung konnten wir uns einfach nicht entscheiden, auch weil wir bei einigen der Gerichte nicht wussten, was uns kulinarisch erwartete. Wie gut, dass es für solche Fälle die „Chef‘s Choice“ Option gibt, bei der die Küche bestimmt, was auf den Tisch kommt. Man kann lediglich festlegen, was von der Karte auf jeden Fall dabei sein soll und was nicht. Die Entscheidung für den Chef‘s Choice gilt übrigens für den gesamten Tisch. Individuelle Einzelbestellungen wären wohl nicht möglich gewesen, so sagte man uns zumindest. Wir entschieden also unseren Abend voll und ganz in die Hände des Küchenteams zu legen, verzichteten aber auf Austern und das alles, ohne zu wissen, mit wie viel der Spaß am Ende zu Buche schlagen würde, denn beim Chef‘s Choice wird weder ein Preis genannt, noch weiß man vorher, was in wie vielen Gängen serviert wird.
Als nächstes wurde die Getränkefrage geklärt. Nach einem Blick in die gut sortierte Weinkarte entschieden wir uns als Erstes für einen CáMaiol Prestige Lugana (36€ / 0,75 l).
Für den ersten Flight schickte die Küche vier Mal den „The Taste Löffel“ (5 € / Stk.), eine Reminiszenz an die gemeinsame TV-Sendung – „The Taste“. Leider habe ich mir dessen genaue Zusammensetzung nicht notiert, in Erinnerung blieben aber die spannenden Texturen und die aromatische Vielfalt dieses Gerichtes. Ein vielversprechender Start.
Es folgte japanischer Hamachi auf einer Passionsfrucht Salsa. Ein klassischer japanischer Speisefisch, der oft für Sushi verwendet wird und einen leicht süßen Geschmack hat. Die etwa in der Größe eines Nigiri-Sushis servierte Portion (18 € / 4 Stk.) bestand aus einem Bett aus Reis, dem perfekt zubereiteten Hamachi und einer sehr gut zum Fisch passenden Passionsfruchtsalsa on Top.
Der dritte Flight waren hausgemachten Buchteln (4 Stk.) mit jeweils einer Kugel Kastanienhumus und Flower Butter (14 € / 4 Stk.). Die Süße der Buchtel bestrichen mit einer dünnen Schicht der Flower Butter passte perfekt zum Kastanienhumus. Lecker und wenn geplant, vielleicht als Kontrastprogramm zum ersten Gang gedacht, aber nach den vielen zusammenspielenden Aromen des „The Taste“ Löffels, der hohe Erwartungen schürte, ein wenig zu unspektakulär.
Victoria‘s Surf & Turf Dumpling auf einem Bett von Spitzkohlsalat (6 € / Stk.) kamen als vierter Flight. Die Kombination aus Fisch und Fleisch trifft man in den letzten Jahren oft auf Speisekarten. Diese Version war spannend inszeniert und man konnte die unterschiedlichen Aromen gut identifizieren. Hätten wir nicht den Chef‘s Choice bestellt, wäre dieses Gericht aber sehr wahrscheinlich nicht auf unseren Tellern gewesen und wir hätten eine positive Erfahrung verpasst.
Mittlerweile war der Lugana genüsslich geleert und da wir mehr fleischlastigere Gerichte im weiteren Verlauf erwarteten, entschieden wir uns zu einem Wechsel hin zum Rotwein. Da wir zu viele Weine auf der Karte nicht kannten, fiel unsere Wahl auf eine Rebsorte, die wir normalerweise gerne tranken und der wir bisher nie schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Der trockene, sanfte Nèprica Primitivo aus Apulien (28 € / 07,5 l) war eine sehr gute Begleitung durch den restlichen Abend.
Während wir auf den Wein warteten, kam der fünfte Flight. Thai Salat mit Papaya und Cashew. Ein schöner Bunter Salat mit frischen Zutaten, schön knackig und schmackhaft. Leider gab es nur eine kleine Portion für vier Personen, die zudem mit 15 € für uns ein wenig aus der bisher ansonsten absolut angemessenen Preisgestaltung herausfiel.
Nachdem der Primitivo gekommen, gekostet und für sehr lecker befunden wurde, kamen direkt der sechste Flight in Form einer großen Jakobsmuschel auf der das Muschelfleisch auf einem Erbsenpuree gebettet und mit einer hauchdünnen Scheibe Lardo (ital. Speck) und Pistazie garniert war (12 € / Stk.). Irgendwie also wieder so etwas wie eine Surf & Turf Variante. Das Jakobsmuschelfleisch war perfekt zubereitet - außen versiegelt und innen noch glasig, mit einem angenehmen Biss. Wer es eilig hat und die Komposition aus Jakobsmuschel, Erbsenpurée, Lardo-Schinken und Pistazie zu schnell isst, verpasst das spannende aromatisches Zusammenspiel zwischen den vier Komponenten. Nimmt man sich die Zeit nicht, geht der schöne italienische Schinken leider fast unter.
Der siebte Flight, hausgemachte Wontons in einem Miso Pilzsud (6 € / Stk.), ließ nicht lange auf sich warten. Die chinesischen Teigtaschen waren wie im Lehrbuch zubereitet, das Highlight jedoch war der Miso-Pilzsud, der auch ohne Wonton als großartiges Süppchen durchgegangen wäre.
Der achte und neunte Flight kamen dann auch zügig, aber leider fast gleichzeitig. Pochiertes Ei auf Baby-Brokkoli mit einer Wagyu-Hollandaise (16 €) und das wohl von allen voller Spannung erwartete Hirschragout mit hausgemachter Pasta (24 €). Ein wenig schade und sicher auch im Ablauf unbeabsichtigt, aber um keines der Gerichte kalt werden zu lassen aßen wir schneller als bei den Flights zuvor, so dass wir vor allem die schön zusammenspielenden Aromen des pochierten Eis mit Wagyu-Hollandaise zu schnell mit denen des doch recht dominanten Hirschragouts überdeckten. Die zugehörige hausgemachte Pasta war perfekt al dente und bot durch ihre Form eine ideale Oberfläche um das köstliche Ragout aufzunehmen. Die hohen Erwartungen eines Tisches voller Hirschragout-Fans wurden zur Gänze erfüllt.
Nach ein paar Minuten folgte der zehnte Flight. Nori-Taco mit Wagyu, beträufelt mit Ponzu, einer japanischen Würzsoße auf Zitronen- und Sojabasis. Die Nori-Algen bildeten das (Taco)Bett, auf dem ein Klecks Reis von einem Stück Wagyu getoppt wurde. Abgerundet wurde das Ganze von einem Hauch Ponzu-Soße. Diesmal nahmen wir uns mehr als ausreichend Zeit, dieses Gericht zu genießen, vor allem das perfekt zubereitete Stück Wagyu, das tatsächlich nicht größer hätte sein dürfen, denn ansonsten hätten die doch starken Aromen des japanischen Edelfleisches alle anderen überdeckt, was schade gewesen wäre.
Nach einer kleinen Pause, um alles noch einmal auf uns wirken zu lassen und die vergangenen zehn Flights noch einmal angeregt zu diskutieren wurde es Zeit für den Nachtisch.
Ja, es passte noch etwas in die Mägen. Solche Abende sind dem Genuss gewidmet und nicht unbedingt dazu geeignet, vollkommen satt zu werden. Zur Auswahl für das Dessert standen Hartkäsevariationen, Mandelkuchen mit Birne, Crème und Florentiner sowie ein Affogato (ein Espressodessert) mit hausgemachtem Vanilleeis. Die Wahl fiel auf Käse und Mandelkuchen.
Beides kam zusammen mit zwei Kaffees prompt. Die nächsten Minuten drehten sich hauptsächlich um die Köstlichkeit der vier verschiedenen Käse-Sorten aus Österreich und der Schweiz, die zusammen mit Croutons und einer Pfeigensoße serviert wurden. Ich widmete mich derweil meiner Mandeltorte, die eher einer dekonstruierten Version glich. Erwartet hatte ich ein kleines Stück Kuchen, wurde dann aber durch etwas überrascht, das auf den ersten Blick auch Eis hätte sein können. Geschmacklich konnte diese Dessert-Kreation jedoch absolut überzeugen. Das Zusammenspiel von Birne, Mandelkuchen und Crème war für mich ein runder Schlusspunkt eines großartigen Abends voller Überraschungen und vieler aromatischer Highlights.
Zum Abschluss lud uns Victoria noch zu einem Absacker ein und fand trotz des noch gut besuchten Restaurants Zeit für einen kleinen Plausch.
Fazit:
Mit dem Port Victoria sind Neuss und unsere Region um ein spannendes gastronomisches Angebot reicher. Das Food-Sharing-Konzept ist im Trend und wird hier im Fine-Dining-Bereich umgesetzt, was hinsichtlich der Portionsgrößen eventuell für Gesprächsbedarf sorgen könnte, wenn man mit der Erwartungshaltung des „satt werdens“ hierher kommt. Wer sich auf eine kulinarische Entdeckungsreise in die Welten der Aromatik und Sensorik begeben und nur genießen möchte, ist im Port Victoria und dessen bezauberndem Team bestens aufgehoben. Unsere Rechnung betrug bei vier Personen knapp 400 € für Aperitif, 10 Flights, 2 Desserts, 2 Kaffee, 3 Flaschen Wein und eine Flasche Wasser. Einzelne Positionen fanden wir im Vergleich etwas zu teuer, wogegen andere Flights wiederum kalkulatorisch sicher auch hätten teurer sein können. Alles in allem bei der gebotenen Qualität eine angemessene Preisgestaltung. Der Service war sehr freundlich und jederzeit aufmerksam, ohne aufdringlich zu sein, eben so, wie es in einem guten Restaurant sein soll.
Vielen Dank für die Gastfreundschaft.
Wir kommen wieder.
PORT VICTORIA
Hansastr. 14
41460 Neuss
Tel.: 01520 - 45 37 785
E-Mail: info@portvictoria.de
www.portvictoria.de
Instagram: portvictoria_neuss
Geöffnet:
Mi., Do., Fr. u. Sa.
À la carte: Türen auf ab 17:30 Uhr
Onlinereservierung über die Website