Marc Thiele
Vor etwa zwei Jahren erschreckte ein Feuerwehreinsatz das Gründerzeitviertel in Höhe der Alten Tanke (Kaiserstraße, Ecke Sittardstraße). Der Dachstuhl eines großen Wohnhauses brannte lichterloh und die Löscharbeiten zogen sich lange hin. Nach einiger Verzögerung begannen irgendwann die Sanierungsarbeiten und heute erstrahlt die Fassade des zuvor etwas vernachlässigten Hauses in einem moderneren Grau. Auch wenn die Wohnungen selber noch nicht bezugsfertig sind, einen Mieter hat die markante Immobilie mit der abgerundeten Fassadenecke bereits: das „Kaiser“ - ein schmuckes, kleines Café, das kurz vor dem diesjährigen Gretamarkt eröffnete.
Wer durch die Türe den Gastraum betritt, fühlt sich ein wenig in die Zeit der goldenen 20er und 30er Jahre zurückversetzt – Babylon Berlin lässt grüßen. Eine große, die Fassadenrundung aufnehmende Theke aus dunklem Holz mit eingelassener Kuchenvitrine und ausreichend Platz für eine Mahlmaschine und einen großen Siebträger dominiert den Raum. Das dunkle Holz der Theke findet zudem bei der Wandverkleidung als auch bei den eingebauten Regalen Verwendung, so dass ein visuell sehr harmonischer Gesamteindruck entsteht, der durch Lichtelemente, die ebenfalls wie aus der damaligen Zeit gefallen scheinen, und große Spiegel perfekt abgerundet wird. Auch sonst legen die Betreiber des „Kaiser“ bei der Einrichtung viel Wert auf Details, denn selbst die Lichtschalter und Steckdosen scheinen aus der damaligen Zeit zu stammen. Ein Glücksfall ist der originale Terrazzoboden, der erst bei den Renovierungsarbeiten unter einer dicken Schicht neuzeitlicheren Bodenbelages zum Vorschein kam.
Nimmt man an einem der 10 kleinen Holztische im Innenraum oder den Sitzmöglichkeiten im Außenbereich Platz oder möchte einfach einen Kaffee zum Mitnehmen, kann man aus einer kleinen aber feinen Karte diverse (auch koffeinfreie) Kaffeevarianten mit und ohne Kuh- oder Hafermilch, Chai Latte, heißer Schokolade und Softdrinks wählen. Natürlich gibt es dazu auch verschiedene köstliche Kaloriensünden in Form von Kuchen und Gebäck, wie die Zimtschnecken der Düsseldorfer Bäckerei Bulle oder den Käsekuchen vom Mönchengladbacher Bäcker Bernd Verfürth. Eine Spezialität des „Kaiser“ ist der handaufgebrühte Kaffee, der durch einen Porzellanfilter in eine kleine Glaskanne aufgegossen wird. Für diesen werden 15 Gramm Kaffeebohnen abgewogen, frisch gemahlen und dann mit Wasser, das auf genau 96 Grad erhitzt wird, mehrfach und vorsichtig übergossen. Ein Prozedere, das vom Aufwand her ein wenig an die japanische Teezeremonie erinnert, und fast so lange dauert. Für Kaffeeenthusiasten ist das Geschmackserlebnis die Wartezeit sicher wert.
Aber Moment - 96 Grad? War da nicht mal was? Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Pop-Up Café, das im letzten Winter in den Räumlichkeiten der Eisdealer auf der Albertusstraße seine Pforten öffnete. Eben „96 Grad“. Hier testeten die Gesellschafter des „Kaiser“, zu denen übrigens auch Michael Bahrke - seines Zeichens Inhaber der Eisdealer – gehört, schon einmal ihr Konzept auf Markttauglichkeit. Augenscheinlich mit Erfolg.
Mönchengladbach scheint ein Markt für Kaffeegenießer zu sein, was neben einigen lokalen Röstereien nun auch das „Kaiser“ mit seinem noch spezielleren Angebot zeigt. Der hier angebotene Kaffee ist dabei aber nicht aus irgendwelchen Bohnen, sondern es ist Gourmetkaffee – sogenannter Specialty Coffee – der die strengen Kriterien der Specialty Coffee Association (SCA, https://sca.coffee) erfüllt. Und hier wird es, wie bei allem, was mit den höheren Weihen der Genusskultur zusammenhängt, etwas kompliziert und leicht wissenschaftlich klingend. Zumindest dann, wenn man mehr zu den Hintergründen und Produkten wissen möchte. Ein Fachwissen, das natürlich auch im Team vorhanden sein muss. Und so sorgen die zwei Kaffeefachleute unter den Betreibern durch interne Schulungen dafür, dass die Teammitglieder bestmöglich eingearbeitet und fachlich geschult sind, um die hohen Standards bei der Zubereitung zu erfüllen und bei Fragen die Kunden zu beraten. Natürlich kann man im „Kaiser“ aber auch einfach nur einen mit Liebe und Fachkompetenz zubereiteten Kaffee genießen, optimaler Weise natürlich mit einem Stück Kuchen oder Gebäck dazu.
Mittlerweile hat das „Kaiser“ eine ansehnliche Anzahl an Stammkunden und ist im Gründerzeitviertel in kürzester Zeit zum beliebten und gemütlichen Treffpunkt - nicht nur für die Nachbarschaft - geworden. Kein Wunder also, dass die Inhaber noch große Pläne haben. Neben dem Café und dem jetzt schon angebotenen Catering soll es zukünftig zudem eine Frühstückskarte geben. Auch Kaffeeverkostungen, sogenannte Cuppings, und Workshops sind in der Planung. Bei den angebotenen Produkten sollen Guest Roasts, also Röstungen anderer Specialty Coffee Röstereien, und eine Spezialitätenkarte, u.a. mit SCA Kaffees aus ganz Europa, die aktuelle Karte ergänzen.
Kaiser Spezialitätenkaffee
Kaiserstraße 88 (Ecke Sittardstraße)
41061 Mönchengladbach
Öffnungszeiten:
Mo.-So. 09:00 – 18:00 Uhr
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