Sinan Heesen, Frank Klix, Tim Kramer, Sandra Züwerink und Wasilli Theis sitzen an einem langen Tisch nebeneinander. Sinan Heesen, Frank Klix, Tim Kramer, Sandra Züwerink und Wasilli Theis sitzen an einem langen Tisch nebeneinander.
Foto: © Marc Thiele
Machten bei der Pressekonferenz des Leaders Club Deutschland noch einmal auf die Situation der Gastrobranche aufmerksam (v.l.) Sinan Heesen (Nintety Nine), Frank Klix (Purino, Nierskind), Tim Kramer (Eventfaktur), Sandra Züwerink (van Dooren), Wasilli Theis (Hoffmanns am Sonnenhausplatz).
01.03.2022
Gastro

Die Gastronomie in der Krise

Redaktion: Marc Thiele

Am 15. Februar luden Vertreter der lokalen Gastronomie zu einer Pressekonferenz in die Räumlichkeiten der Wirtschaftsförderung, um über die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Branche zu sprechen. Die Veranstaltung fand im Rahmen eines bundesweiten Protesttages des Gastro-Netzwerkes „Leaders Club Germany“ statt, das derartiges gleichzeitig in verschiedenen deutschen Städten organisiert hatte, unter anderem in Berlin. Hier hatte der Vorstand des Netzwerkes den Reichstag als passendes Ambiente für seine ins Internet übertragene Pressekonferenz auserkoren.

Ebenfalls im Vorstand des Leaders Club Deutschland ist der Initiator der Mönchengladbacher Pressekonferenz, der System- und Großgastronom Frank Klix (u.a. Purino, Nierskind, Schwesterherz), der zu dieser Veranstaltung seine Branchenkollegen Sinan Heesen (Restaurant Ninety Nine in der KFH), Wassili Theis (Mokka, Café Hoffmanns), Sandra Züwerink (van Dooren) sowie den Eventmanager und DJ Tim Kramer (Eventfaktur) um sich scharte.

Ziel des deutschlandweiten Protesttages war es, die vermeintlich prekäre Lage der Gastronomie noch einmal in den Fokus der Öffentlichkeit und der Politik zu rücken.

Die Kernaussagen der Gastronomen waren dabei, dass ihre ganze Branche unverschuldet in finanzielle Not geraten sei und man nun zudem vor zusätzlichen großen Problemen wie Personalnot und starken Preissteigerungen stehen würde. Auch die nach Meinung der Gastronomen verwirrenden und oft kurzfristigen Coronaregeln würden dazu beitragen, dass immer weniger Gäste kämen und der Umsatz dadurch noch weiter sinke. Um diesen Entwicklungen entgegen zu treten wurden Forderungen formuliert, um die Gastronomiebranche durch die Krise zu bringen und ihr wieder eine Perspektive zu eröffnen.

  • Die bereits bis Ende 2022 von 19% auf 7% gesenkte Mehrwertsteuer auf Speisen, soll über den 31.12.2022 hinaus verlängert werden. So würde Liquidität generiert und man müsse die steigenden Beschaffungs- und Gemeinkosten nicht komplett an die Gäste durchreichen.
  • Die Rückzahlung von in Anspruch genommenen Krediten soll flexibler und mit längeren Fristen möglich sein, so dass die Branche wieder Rücklagen bilden kann.
  • Corona-Schutzregeln sollen bundesweit einheitlich sein. Regelungen wie 3G, 2G oder 2G+ sowie Maskenpflichten sollen länger gültig bleiben und nicht kurzfristig geändert werden. Dies erleichtert die Planbarkeit und den Umgang mit den Schutzmaßnahmen, schafft klare Verhältnisse und helfe dabei, dass wieder mehr Gäste in die Betriebe kommen.
  • Um die Arbeitsplätze in der Gastronomie wieder attraktiver zu machen und der akuten Personalnot in vielen Betrieben entgegen zu treten, sollen die Corona-Sonderzahlungen von 1.500 € auf 3.000 € angehoben werden und deren Auszahlung auch über den Juni 2022 möglich sein. Außerdem soll die bereits beschlossene Anhebung des Verdienstsatzes bei Minijobs von 450 € auf 520 € vorgezogen werden.
  • Auch in Richtung der Kommunalpolitik und Verwaltung wurden Wünsche geäußert, wie z.B. Erleichterungen und Gebührenerlässe für die gastronomische Nutzung von Außenflächen.

Zumindest aus der Richtung letzterer kamen zwei Tage später positive Signale in Richtung der Gastronomiebranche.

Unter der Überschrift „Mehr Spielraum für Handel und Gastronomie“ hat der Rat der Stadt einen Beschluss gefasst, der der Gastronomie und dem Handel zukünftig mehr Möglichkeiten bei der Nutzung des öffentlichen Raumes z.B. für Außengastronomie, aber auch bei der Aufstellung von Warenständern einzuräumen. Für die stark in der Kritik stehenden, bisherigen Regelungen wurden nach intensiven Beteiligungen der Öffentlichkeit und der Branchenverbände der Stadt Vorschläge für eine Neufassung erarbeitet.


[Zitat aus der Pressmitteilung der Stadt Mönchengladbach, vom 17.02.2022]

Mit der Richtlinie für Außengastronomie und Waren-/Werbeständer werden gestalterische Rahmenbedingungen für die Nutzung des öffentlichen Raumes durch Gastronomie und Einzelhandel zugrunde gelegt, insbesondere unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Barrierefreiheit sowie Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz.

Zukünftig entfallen beispielsweise Vorgaben zur zulässigen Höhe und Tiefe von Warenständern bei Verbleib einer Gehwegbreite von mindestens 2,50 Metern, bestimmte Farbvorgaben für Mobiliar und Begrünungselemente und der Mindestabstand von Begrünungselementen zur äußeren Einfassung konzessionierter Flächen unter Berücksichtigung festgelegter Maximalhöhen. Des Weiteren sind nun auch Windschutze in einer Höhe von max. 1,50 Metern zulässig, eine Ausnahme gilt allerdings für den Markt Rheydt und die Marktstraße zwischen Marktplatz und Harmoniestraße. Vor dem Hintergrund des ausgerufenen Klimanotstandes werden gasbetriebene Heizpilze und -elemente zukünftig ausgeschlossen, aus Pandemiegründen allerdings erst mit Wirkung zum 1. April 2023. Anschließend sind nur noch elektrische Heizelemente zulässig, die nachweislich CO2-neutral (Solaranlagen, Ökostrom o. ä.) betrieben werden.

Die neuen Regelungen im Detail sind auf der Homepage der Stadt unter www.stadt.mg/rl-handel-gastro veröffentlicht.

[Zitat Ende]


Ob die Stadt auch weiterhin auf die Gebühren für die Nutzung von öffentlichen Flächen für die Außengastronomie verzichtet, wird derzeit wohl noch diskutiert.

In wieweit die Forderungen der Gastronomie an die Bundes- und Landespolitik Gehör finden oder sogar finden sollten, dürfte Grundlage einer Debatte werden. Einige der geäußerten Punkte, wie der Ruf nach besseren, verständlicheren und planbaren Regelungen, ist nicht nur für die Gastronomie sondern auch für viele andere Branchen wünschenswert.

Auch der Ruf nach einer Erhöhung der Coronabonuszahlung und der Einkommensgrenze bei Minijobs sollte unterstützt werden, denn beide kommen unmittelbar den Beschäftigten im Gastgewerbe zu gute, die seit Jahrzehnten in vielen Betrieben der Branche nicht angemessen bezahlt werden, was wohl auch zur aktuellen Personalproblematik nicht unwesentlich beiträgt. Auch wenn Corona das Sichtbarwerden dieses Problems beschleunigt hat, ausgelöst wurde es durch die Pandemie wohl eher nicht. Zudem tragen hier auch weitere Faktoren, wie die Zunahme an Lieferdiensten und deren massiver Personalbedarf, zu dieser Entwicklung bei.

Auf starke Gegenstimmen, u.a. in den Sozialen Medien, stößt hingegen die Forderung nach einer langfristigen Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19% auf 7%, bzw. die Fortsetzung der vor Kurzem erst bis Ende 2022 verlängerten entsprechenden Senkung. Vor allem Argumente, dass damit auch vielen anderen Branchen Tür und Tor für Forderungen nach Steuersenkungen geöffnet würde und auch dass sich der Staat nach derartig massiven Coronahilfsprogrammen einfach auch keine Steuersenkungen leisten könne, werden laut.

Unstrittig dürfte sein, dass die Gastronomie schon vor der Coronakrise eine Branche voller Probleme war. Zurückgehende Gästezahlen gibt es nicht erst seit April 2020, Personalprobleme sind auch keine Coronansymptome und fehlende Kenntnisse in Betriebswirtschaft und Personalführung sind sogar Mitinitiator und Großgastronom Frank Klix klar, der genau diese beiden Punkte auf der Pressekonferenz am 15.02. selber als Zukunftsproblem der Gastrobranche ansprach.

Wie weit dürfen und wie weit sollen die Hilfen für die Gastronomie also gehen? Eine Frage, die sich im Zusammenhang mit Corona schwer beantworten lässt, bei deren Bewertung aber ein anderer Aspekt helfen kann, nämlich der Blick in die Zukunft unserer Innenstädte.

Vor Kurzem erst veröffentlichte die Stadt Mönchengladbach ein Konzeptpapier zur Umgestaltung der Hindenburgstraße (siehe Hindenburger 02/2022, Seite 11), bei dem die Gastronomie eine wichtige, wenn nicht gar zentrale Rolle spielt. Eben wie bei jedem anderen Stadtentwicklungskonzept, mit dem man dem Niedergang des Einzelhandels entgegentreten möchte auch. Um dieser Rolle gerecht zu werden, sind aber funktionierende und wirtschaftlich gesunde Gastronomiebetriebe, ebenso wie mutige Gastro-Gründer, die mit neuen Ideen und Konzepten zur gastronomischen Belebung der Innenstädte beitragen, essentiell.

Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen bedarf in der Post-Corona-Zeit diverser Instrumente, nicht nur jener aus dem Forderungskatalog der Gastronomie.

Höhere Verdienstgrenzen bei Minijobs (und der steigende Mindestlohn) sind ebenso wünschenswert, wie die Verbesserung der allgemeinen finanziellen Situation der coronagebeutelten Betriebe, z.B. durch die vorgeschlagenen Verlängerungen der Kreditrückzahlungsfristen. Auch die von der Stadtverwaltung bereits beschlossenen Änderungen bei der Nutzung von öffentlichen Flächen für Außengastronomie sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ob tatsächlich die Mehrwertsteuersenkung wie gefordert notwendig ist, oder ob es nicht bereits reicht, den doch recht chaotischen Dschungel der Steuerregelungen in der Gastronomie aufzuräumen, sollte diskutiert werden. (Warum entscheidet z.B. der Milchanteil in einem Getränk darüber ob es sich um eine Speise oder ein Getränk handelt, und warum muss zwischen dem Verzehr im Lokal und Take-Away steuerlich differenziert werden?).

Auf jeden Fall steht die Gastronomiebranche mit und ohne Corona vor schweren Herausforderungen, aber auch tiefgreifenden Veränderungen und Chancen. Fehler der Vergangenheit treffen auf pandemiebedingte Probleme und eine Kundschaft, die sowohl Vertrauen als auch an Kaufkraft verloren hat. Zudem hat sich das Ausgehverhalten in der Pandemie verändert, was mindestens Auswirkungen auf die zukünftige Gästefrequenz haben wird. Auch die Personalproblematik wird nach Corona bestehen bleiben und sich eventuell noch weiter verschärfen, wenn die Jobs in Küche und Service nicht wieder attraktiver werden. Das sind viele Baustellen, mit denen wohl auf lange Sicht nur Gastronomieunternehmer zurechtkommen, die über die erforderliche Professionalität, Weitsicht aber auch konzeptionelle Kreativität verfügen.

Für die Rolle der hiesigen Gastronomie (in den Innenstädten) der Zukunft sind das keine rosigen Aussichten, denn eine Stadt im erneuten Wandel, dazu noch mit einer geringen Kaufkraft und einem nachpandemisch veränderten Gästeverhalten ist nicht der beste Nährboden für eine wirtschaftliche Erholung von Bestandsunternehmen oder gar gastronomischen Neugründungen, egal ob als Franchise oder als Individualkonzept. Wer das will, muss mehr tun als die Außengastronomie erleichtern. Es müsste der gleiche Elan an den Tag gelegt werden, wie seinerzeit bei der Ansiedlung der Logistik. Aus der Start-Up-City mit all ihren Netzwerken müsste Gastro-Start-Up-City werden.

Haben Sie auch eine Meinung zur Gastronomie in und nach der Pandemie? Finden Sie die Forderungen gerechtfertigt oder überzogen? Gehen Sie derzeit noch in die Gastronomie oder bleiben Sie lieber zuhause und welche Art von Gastronomie wünschen Sie sich für die Mönchengladbacher Innenstadt der Zukunft? Schreiben Sie uns an redaktion@hindenburger.de oder diskutieren Sie mit uns auf facebook.com/hindenburger über das Thema.