Das Landgut Ramshof von außen bei Nacht Das Landgut Ramshof von außen bei Nacht
Foto: Christian Hornung
01.06.2024
Gastro

Landgut Ramshof

Große Küche vom Wohlfahrt-Schüler in Willich - Neersen (D)

Redaktion: Christian Hornung

Nach unserem Test-Quartett in den Niederlanden mit dem wunderbaren LEF in Reuver, der vor allem von der Aussicht her spektakulären Skybar in Venlo, der sehr soliden Brasserie Ut Hert in Blerick und dem durchaus überraschenden De Zoes in Helder bleiben wir jetzt aber auch mal in heimischen Gefilden. Die den Lesern des HINDENBURGER inzwischen gut bekannte halbe Stunde, die man aus Mönchengladbach kommend unserer Meinung nach ruhig mal in einen Restaurantbesuch investieren sollte, brauchen wir diesmal nicht – vor allem wenn man aus Neuwerk, Lürrip oder Stadtmitte kommt: Es geht in den Willicher Stadtteil Neersen. Vorbei an Trabrennbahn und Flughafen, die beide schon bessere Zeiten erlebt haben, führt uns unser Kurztrip in den Ramshof, der sein Restaurant „Küchenmeisterey“ genannt hat.

Der Name ist angelehnt an eines der ältesten überlieferten Kochbücher in deutscher Sprache, man schätzt das Original auf das Jahr 1490. Einen gebundenen Nachdruck dieser „Küchenmeisterey“ bekommt man bei Thalia für 68 Euro. Viel Tradition schlägt einem auch im Ramshof sofort entgegen, aber gespickt mit reichlich Moderne. Ein dicker gemauerter Turm mit Spitzdach beispielsweise, der zu diesem riesigen Ensemble gehört, wird mit einem orange-rosa-violettem Lichtspiel unterhalb des Dachs in Szene gesetzt. Ein Hirsch thront über einem grün beleuchteten Wasserlauf, allein schon der Außenbereich dieser denkmalgeschützten Anlage mit Ursprüngen aus dem 16. Jahrhundert ist wirklich sehenswert.

Der leichte Nieselregen verhindert leider die Außengastronomie an diesem Mittwoch vor Pfingsten, das war uns bereits am Nachmittag bei der Reservierung angedroht worden. Aber auch drinnen gibt es einiges zu sehen. Hier dominiert eindeutig die Reminiszenz an frühere Tage: Mobiliar mit Stoffbezügen aus Großmutters Zeiten, was gar nicht abwertend gemeint ist - es wirkt trotz der Größe urig gemütlich, die vielen Geweihe und leeren Weinflaschen als Deko hinter jedem Tisch sind jetzt nichts krass Innovatives, aber irgendwie passt alles gut zusammen. Den einzigen Kontrast bildet hier die violett angestrahlte Bar. Und einer unserer ersten Eindrücke ist: Der bei vielen Konkurrenten aktuell beklagte große Personalmangel hat den Ramshof bisher nicht erfasst.

Sehr viele Kellnerinnen und Kellner kümmern sich im Laufe des Abends um uns, die Ansprache ist persönlich und freundlich, durchaus auch mal witzig und humorvoll, aber nie distanzlos – für uns also perfekt. Nicht ganz so perfekt finden wir den Blick in die Karte mit den Aperitifen. Die Auswahl ist zwar hoch professionell, aber ein 0,1-Liter-Kir Royal muss nicht unbedingt 16,90 Euro kosten. Immerhin wird die Creme Cassis mit Champagner aufgegossen, so dass man den Preis vielleicht noch irgendwie nachvollziehen kann. Bei Hugo, Aperol Spritz oder Lillet Wild Berry ist die Übertreibung allerdings maßlos: 7,90 Euro kommen uns zwar aus anderen guten Häusern bekannt vor, doch da bekommt man fast überall 0,2 Liter eingeschenkt oder sogar noch etwas mehr – hier ist es das kleine Sektgläschen mit einem Zehntel-Liter, da ist der Betrag leider wirklich dreist. Wir entscheiden uns schließlich für einen „Sekt Edition Ramshof“ (7,50 Euro) und einen „Rosé Sekt Edition Ramshof“ (7,50 Euro), und es war eine gute Wahl, beide Cavas sind stark im Geschmack und schön gekühlt.

Etwas lieblos kommt dann das Brotensemble: Je zwei dünne Scheibchen weißes und Vollkorn-Baguette mit einer leichten Knoblauch-Quark-Creme und ein paar eingelegten Oliven – aber kein schönes Olivenöl, kein Meersalz, keine Butter, keine Tapenade. Zum Glück wird es dann deutlich besser, was wir auch nicht anders erwartet haben: Hier kocht mit Matthias Stieger schließlich ein ehemaliger Schüler von Harald Wohlfahrt, dem vielleicht besten deutschen Koch der letzten drei Jahrzehnte.

Als Vorspeisen wählt meine Partnerin das Duett von Jakobsmuschel und Riesengarnele (21,50 Euro), das ebenso wenig auf der Online-Speisekarte zu finden war wie das Tataki vom Rind (19,50 Euro), das offenbar das Tatar abgelöst hat – aber diese Änderungen waren beide absolut brillant. Das Duett ist ein wahres Kunstwerk, die perfekt gebratene Garnele wird flankiert von zwei wunderbar glasigen, aber außen gut gebräunten Jakobsmuscheln, die auf einem weißen Spargel- Weißwein-Schaum und einem sehr geschmacksintensiven kleinen Spargel-Risotto thronen. Mediterran garniert ist das Ganze mit Tranchen von der Sonnentomate, Oliven und Tupfern einer Eigelb-Safrancreme, dazu noch gekrönt von einem sehr schön angemachten Wildkräutersalat.

Auch das Tataki, also hauchdünne halbrohe Rindfleischscheibchen, die nur für wenige Sekunden heißes Öl gespürt haben, hätte sich in der Traube Tonbach nicht blamiert. Die Marinade ist ein höchst aromatisches lauwarmes Sesamsößchen, dazu gibt es kalten Spargelsalat, ebenfalls Wildkräuter und sechs leicht scharfe Wasabicreme-Tupfer – eine wirklich großartige Kombination.

Als Weinbegleitung haben wir nach langem Studium der preislich, aber vor allem von der Vielfalt her sehr üppigen Karte tatsächlich noch einen „Sauvignon Blanc vom Martinshof aus Niederösterreich“ für erträgliche 32,50 Euro gefunden, leicht beerig und fruchtig, aber zum Glück nicht süß – vom Preis-Leistungsverhältnis her absolut einwandfrei.

Auch bei der Hauptspeise setzen wir auf einmal Fisch und einmal Fleisch. Mein Edelfisch-Teller mit Weißweinschaum (29,50 Euro) beinhaltet eine gebratene Lachstranche, eine Gamba von ordentlicher, aber nicht exorbitanter Größe, ein Stückchen vom Kabeljau und eine kleines Doradenfilet. Alles ist zu einem breiten Türmchen verbaut, bei dem kleine Rosmarinkartöffelchen und als Ratatouille angerichtetes provenzalisches Gemüse die Trägerkonstruktion bilden. Optisch ist auch dieses Gericht ein absoluter Hingucker, bei dem es nur einen Abzug gibt: Der geschmacklich starke Lachs ist leider deutlich zu trocken, er war entweder nach dem Braten noch zu lange oder bei zu großer Hitze im Backofen.

Meine Freundin entscheidet sich für das Rumpsteak vom Black Angus Rind „Ojo de Agua“ mit Kräuterbutter, Pfeffersauce, Kartoffelkrapfen und buntem Salat (36,50 Euro). Hier ist die Anrichteweise zur Abwechslung mal ganz puristisch, der Salat wird auf einem Extra-Teller serviert, drei Krapfen halten respektvollen Abstand zum 250 Gramm schweren Fleischstück, das eine kräftig-dunkle Kruste bekommen hat, innen aber noch wunderbar dunkelrosa ist. Ojo del Agua nennt sich das Gericht, das wäre wörtlich übersetzt das „Auge des Wassers“, steht aber für die Wasserlöcher, aus denen Rinder in der argentinischen Pampa trinken. Das klingt schonmal vielversprechend saftig, doch leider ist das Fleisch einen deutlichen Tick zu fest. Der Aromatik tut das aber zum Glück keinen Abbruch, man muss die Gabelbissen dann eben etwas kleiner halten, kein Problem. Wirklich herausragend gelungen ist die Pfeffersauce mit einer sahnig-buttrigen Konsistenz und wunderbarer Schärfe, die auch zu den Krapfen perfekt passt. Abgerundet wird das alles von karamellisierten Zwiebeln, auch die sind geschmacklich ein Feuerwerk.

Was uns den ganzen Abend begleitet: Die Gerichte kommen äußert zügig, die Wartezeiten sind kurz. Die Küche hat offenbar schon enorm viel vorbereitet – was wohl vor allem die vielen chronisch unter Zeitdruck leidenden Geschäftsreisenden (die Autokennzeichen auf dem Hotel- Parkplatz kommen aus ganz Deutschland) erfreuen dürfte.

Da auch die Portionsgrößen sehr ordentlich und weit weg von Chichi-Küche sind, wird es bei uns eng mit einem Nachtisch – doch wir sind ja zum Testen hier und teilen uns die Crème brûlée mit Vanille aus Mauritius und Himbeersorbet (12,50 Euro). Auch das war eine wunderbare Wahl: Die Karamellkruste ist schön kross und nicht zu hart, die Vanille schmeckt super-intensiv, das Sorbet ist cremig, nicht zu zuckrig und wird von einer kleinen Fruchtauswahl mit zwei halben Erdbeeren, einer Brombeere, einer Himbeere und zwei Blaubeeren begleitet. Etwas zu viel Show ist hier nur der „Sterne-Strich“ von Schokoladensauce, der so dünn geraten ist, dass man fast gar nichts mehr davon schmeckt und die Früchte darin auch nicht baden kann.

Fazit:
Es war ein toller Abend in einer spektakulären Location mit zwei herausragenden Vorspeisen, die auf Spitzenniveau angerichtet waren, zwei sehr gelungenen Hauptgerichten und einem harmonischen Nachtisch. Die abgehobenen Aperitif-Preise und das etwas phantasielos gereichte Baguette waren zu Beginn des Menüs etwas schade. Der zu trockene Lachs und das zu feste Rumpsteak waren kleine handwerkliche oder beim Fleisch vielleicht auch qualitative Minuspunkte, die sich aber geschmacklich nicht schlimm auswirkten - auch weil Saucen, Schäume und Creme-Tupfer alles herrlich abrundeten. Insgesamt sind wir für 175 Euro sehr gut verköstigt und top-professionell bedient worden, die Auswärtsfahrt in den Ramshof war absolut lohnenswert.

Landgut Ramshof
Ramshof 1
47877 Willich (Neersen)
Tel.: +49 - (0) 2156 - 958 90
https://landgut-ramshof.de
Geöffnet: Mo. - So. 12:00 - 15:00 Uhr und 18:00 - 21:30 Uhr