Christian Hornung
Da eigentlich ein Kandidat in Neuss für diesen November-Sonntag auf unserer Liste stand, wir dort aber kurzfristig per Mail eine Absage erhielten, müssen wir relativ spontan umplanen: Anruf am späten Nachmittag im Grevenbroicher „Dreierlei“ mit der Bitte um einen Tisch für zwei Personen um 19.30 Uhr und immerhin: Es klappt, wir müssen aber schon um 18.30 Uhr kommen. Machen wir doch glatt, die Co-Testerin ist diesmal meine Tochter Lara (14), die auch schon immer ein Herz für die absolute Hochküche hatte und bereits mit leuchtenden Augen Kaviar-Toast verputze, als sie noch vier war.
Wir öffnen die Tür zum Restaurant und stehen quasi direkt im Wohnzimmer: Super-gemütliche Einrichtung mit Kronleuchter, Riesenspiegel mit dickem Goldrand, Wandschmuck mit indirektem Licht, Blumen, Kerzenständer – alles sehr geschmackvoll und auch nicht zu überladen. Der kleine architektonische Nachteil: Uns wird der Tisch direkt neben der Eingangstür zugeweisen, und da es weder ein Entrée, noch einen dicken Vorhang oder etwas Ähnliches gibt, hat jede Türbewegung etwas von plötzlichem Wintereinbruch. Da direkt neben uns ein Herr mit einer sehr kräftigen Stimme laut über Weihnachten, Karneval und „die Kölner“ referiert, bitte ich höflich um Versetzung in den etwas weiter hinten liegenden Restaurantbereich. Dort warten auch noch zwei bereits eingedeckte Tische – doch diese Bitte wird abschlägig beschieden: Dort serviere man heute nicht, sagt uns der Kellner relativ bestimmt.
Ich gucke ein wenig sparsam, immerhin gibt meine Tochter Teilentwarnung: „Papa, reg dich nicht auf, nebenan wird gleich bezahlt.“ Prima! Die gelegentlichen Kälteschocks bleiben zwar, die unerträgliche Dauerbeschallung verzieht sich aber, und wir dürfen zeitnah unsere Aperitifs bestellen: Einen sehr schön trocken-fruchtigen Cremant (8,50 €) und einen Hugo alkoholfrei (7,50 €), beides bestens temperiert und schnell serviert.
Zum Brot (zwei Scheiben Vollkorn- und zwei Scheiben helles Baguette mit einer sehr schmackhaften sahnig-schaumigen Paprika-Buttercreme) bitte ich wie immer um etwas Olivenöl und Salz, was den Kellner offenbar auch nicht so richtig begeistert: „Müsst‘ ich fragen“, antwortet er mir, worauf ich ein freundliches „ja, bitte“ anfüge und mir den Satz „ist ja Ihr Job“ natürlich verkneife. Da Öl kommt aber prompt, das Salz hingegen nicht, ich sage aber nichts außer „herzlichen Dank“. Ich will den Herrn jetzt auch nicht von Beginn an dauernerven, zumal die Standards zügig und professionell ablaufen: Das Bringen von Getränkekarte, Speisekarte, die Aufnahme der Bestellung und die Nachfragen „ist alles recht?“ und „schmeckt es Ihnen?“ - das klappt alles wie aus dem Lehrbuch für Restaurantfachkräfte.
Was an diesem Abend aber über allem steht: Die Speisen sind von herausragender Qualität und höchst ansprechend angerichtet.
Lara startet mit „Carpaccio vom Black Angus mit Honig-Senf-Dressing, Parmesan, Rucola und Pinienkernen“ (16,90 €), wo ihr einziger Kritikpunkt ist, dass unter dem Berg von (sehr leckerem) Parmesan und etwas zu viel von der Garten-Senfrauke das wunderbar hauchzart-frische Rindfleisch etwas untergeht.
Rumherum großartig sind meine „Jakobsmuscheln mit Belugalinsen-Mango-Salat, Ponzu und Zitronengras-Kokosschaum“ (18,90 €), die Muscheln mit der perfekten Kruste und innen noch etwas glasig.
Da ich zum Zeitpunkt des Essens die exakten Zutaten des herrlichen Linsen-Salat-Betts nicht mehr im Kopf habe, aber ja eine vernünftige Kritik schreiben will, erlaube ich mir die Nachfrage zu den kleinen hellen Würfeln auf meinem Tellerchen. Ich ernte erneut ein etwas unterkühltes „müsst‘ ich nachfragen“. Aber auch kurz danach die Antwort: „Das ist Mango, so wie es auch auf der Karte steht.“ Ich überlege ganz kurz ein „entschuldigung, hab die Speisekarte versehentlich nicht in allen Details auswendig gelernt“, sehe aber schon Laras beschwichtigende Geste und sage nur: „Ah ja, logisch, vielen, vielen Dank!“
Genießen wir lieber weiter das Essen: Für meine Tochter „Trüffelpasta mit Velouté vom weißen Albatrüffel, frisch gehobeltem Herbsttrüffel, Rucola, Pinienkernen und Grana Padano“ - mit dazu bestellten Gambas“ (30 €), für mich das „Gegrillte Rumpsteak vom argentinischen Premium Grain fed Beef mit Café-de-Paris-Kruste, Portweinreduktion, Speckböhnchen und Drillingen“ (29,50 €). Lara liebt die sehr aromatische Pasta mit fünf knackig-gebratenen Riesengarnelen, merkt aber zu Recht an, dass man für die Spurensuche nach dem gehobelten Trüffel eine Lupe braucht – das war echt ein bisschen zu sparsam.
Mein Steak ist so gerade noch medium-rare, traumhaft zart und die Kruste großartig. Die Portwein-Reduktion ist aber so reduziert, dass sie über den Status eine Teller-Verzierung kaum hinauskommt. Aber ich bin ja mutig und frage den Kellner nach einer Extra-Portion von dieser wunderbaren Sauce. Erstaunlich: Diesmal antwortet er nicht mit dem kühlen „müsst‘ ich fragen“, diesmal sagt er gar nichts und dreht sich einfach weg. Was er sich bei solchen Reaktionen auf den Wunsch eines Gastes denkt, ob ihn das nervt, überfordert oder er das einfach nicht kennt, darf sich jeder selbst ausmalen – ich bin mir tatsächlich nicht sicher. Unter dem Strich steht allerdings, dass er eine Minute später mit einem kleinen Kännchen Sauce zurückkommt, die wirklich die perfekte Abrundung meines wunderbaren Hauptgangs ist.
Passend zum roten Fleisch genieße ich nach einem „Montepulciano“ (8 €), der mir etwas zu sehr nach diesen Wintergewürzen Zimt, Nelke, Kardamom schmeckt, noch einen herrlichen „Primitivo“ (8,50 €), und wir gehen zur Nachspeise über.
Lara ist nach eigener Aussage eigentlich komplett satt, sieht aber ein, dass sie den Pflichten eines Restauranttesters nachkommen muss. Es gibt hier auch keine Nachspeisenkarte, sondern nur Empfehlungen des Kellners. Als der aber das „Warme Schokoküchlein mit flüssigem Kern und einem Salz-Karamell-Eis“ (13,50 €) vorschlägt, leuchten die Augen ähnlich wie beim Kaviar-Toast vor zehn Jahren - und sie ist hinterher auch komplett begeistert. Richtig genial ist auch mein „Mousse Duett von Bitterschokolade und Nougat“ (9 €), cremig, fluffig, nicht zu süß, absolut traumhaft und optisch ansprechend mit Früchten serviert.
Fazit: Kulinarisch und vom Preis-Leistungs-Verhältnis her – ich genieße noch einen Haselnuss-Obstbrand von Prinz (4,50 €) und zahle am Ende 166,90 € – war das wirklich ein grandioser Abend und einer der besten in unserer Testreihe für den „Hindenburger“. Wir sprechen nach dem Abendessen noch lange mit dem Koch und Inhaber Patrik Mund, der jetzt im zweiten Jahr hier vor Ort ist und vorher im Neusser Tennisclub „Blau-Weiß“ auch schon unter „Dreierlei“ gezaubert hat. Die außer uns noch verblieben Gäste erzählen, dass sie aus Neuss jetzt immer hierhin kommen und ihn dort schmerzlich vermissen. Und wir erfahren auch noch, dass der Name „Dreierlei“ einfach für das damalige Neusser Trio aus dem Chef, seiner Gattin und einem weiteren Mitbegründer stand. Gelernt hat der nun wohl beste Koch in Grevenbroich nach eigenen Worten bei der absoluten Legende hier gleich um die Ecke: Dieter Kaufmann in der bundesweit berühmten Grevenbroicher „Zur Traube“, die 2014 für immer geschlossen hat und in der nun eine Jobvermittlung die tollen Räumlichkeiten belegt. Ikone Kaufmann war lange Zeit der älteste Sternekoch Deutschlands. Und wie wir jetzt festellen durften, war er auch ein hervorragender Ausbilder.
Restaurant Dreierlei
Karl-Oberbach-Str. 11
41515 Grevenbroich
Tel.: +49 . (0) 2181 . 72 89 316
E-Mail: info@dreierlei-restaurant.de
https://www.dreierlei-restaurant.de
Öffnungszeiten:
Sonntag: 12 - 15 Uhr und 16 - 21 Uhr
Montag: 16 - 21 Uhr
Dienstag: geschlossen
Mittwoch: geschlossen
Donnerstag - Samstag: 16 - 22 Uhr