Christian Hornung
Über den Einfluss von Hintergrundmusik bezüglich des Kaufverhaltens gibt es ganze Doktorarbeiten. Einigkeit herrscht in der Psychologie darüber, dass durch die angenehme Untermalung aus den Boxen eine behagliche Stimmung hervorgerufen wird, die Stress und Hektik in Entspannung umwandeln und die Lust auf die angebotenen Produkte eindeutig steigert. Das können wir im Fall der Trattoria Villa Toscana in der Erkelenzer Honschaft Tenholt wirklich nur unterschreiben. Schon beim Betreten des mit Olivenbäumchen sehr einladend wirkenden Innenhofes säuselt uns Gianna Nannini ihre Hymnen „Notti magiche“ und „I maschi“ um die Ohren, und beim Studium der Speisekarte übernimmt dann Eros Ramazzotti mit „Piú bella cosa“. Wir fühlen uns tatsächlich gleich in Urlaubsstimmung und total bereit zu größeren Einkäufen.
Unser Ziel war es an diesem Abend, die übereinstimmenden Kritiken im Netz zu verifizieren, dass hier der „beste Italiener weit und breit“ zu finden ist. Einen sehr ordentlich und schmackhaft kochenden Griechen („Zum Kuhstall“) gibt es in diesem kulinarisch erstaunlich gut ausgestatten 430-Seelen-Dörfchen übrigens auch noch, aber unser Ziel für die 30-Minuten-Trips aus Mönchengladbach ist ja bekanntlich die etwas außergewöhnlichere Küche.
Und ja: Wir haben sie hier gefunden. Los geht es zu unseren Aperitifen „Aperol Spritz“ (7,50 €) und „Martini rosso“ (4,50 €) mit einer kleinen, herrlich ölig-tomatigen Bruschetta, die sofort dafür entschädigt, dass meine Partnerin nach mehreren Minuten tatsächlich noch zweimal gefragt wird, ob sie ihr James-Bond-Getränk nun „rosso“ oder „bianco“ bestellt hatte – beim zweiten Mal allerdings gleich mit einer sehr herzlichen Entschuldigung für das schlechte Gedächtnis des Kellners.
Als Vorspeisen ordern wir „Rinder-Carpaccio“ (12 €) und „Gambas Aglio-Olio“ (16,90 €) - was sich beides als Volltreffer erweist. Die hauchdünn geschnittenen Filetscheiben sind herrlich dunkelrot, thronen auf einem Ruccola-Bett und sind mit großen Parmesanraspeln sowie grünen Spargelspitzen ausgarniert. Das Gericht hat eine wunderbare Frische - und ist preislich top. Bei den Gambas sind wir uns einig, dass wir die selten so überragend gegessen haben. Sie kommen in stattlicher Größe in heißem Olivenöl schwimmend mit Tomatenscheiben und Peperoncini, die von der Schärfe noch total erträglich sind. Das Gambafleisch ist hocharmoatisch und von der Konsistenz her fest, aber überhaupt nicht trocken. In das heiße Knoblauch-Öl „zoppen“ wir dann auch noch ein paar Brotscheiben, es wäre sonst einfach zu schade gewesen.
Beim Hauptgang setzen wir diesmal auf Fleisch, denn wir haben gelesen, dass das hier von besonderer Qualität sein soll. Die Preise dafür sind am oberen Limit, da gibt es nicht viel schönzureden. Aber was wir in letzter Zeit an Aufschlägen auch in anderen Restaurants erlebt haben, ist wirklich mittlerweile nur noch abenteuerlich:
Im Gladbacher „La Pampa“ (das lieben wir) steht inzwischen ungelogen ein 200-Gramm-Rinderfilet mit einer (!) Riesengarnele für 54,90 € auf der Karte, wir hielten das erst für einen Druckfehler. Auch beim herzlich-rustikalen „Vennen“ in Liedberg beispielsweise sind die Rumpsteak-Preise komplett explodiert, das „Mediterran“-200-Gramm-Exemplar kostet inzwischen 39,60 € - verrückt!
Folglich sind wir hier in der Toscana nicht mehr so ganz geschockt, dass das Rumpsteak mit immerhin drei Stangen weißem Spargel 35,90 € kostet, die Portion ist sehr großzügig, die Drillings-Kartoffeln extrem reichhaltig bemessen und das Fleisch ist zart – wenn auch die von meiner Lebensgefährtin gewünschte Garstufe „medium“ nicht getroffen wurde, es ist tatsächlich medium-rare. Immerhin gart es durch die Weißwein-Sahnesauce und den aufgelegten Spargel noch ein klein wenig nach, der Spargel ist schön weich, hat aber noch etwas Biss, gar nicht faserig, und die Drillinge haben einen guten Rosmarin-Geschmack.
Mein Rinderfilet mit Spaghetti und Pfeffersauce (40,50 €), das gar nicht auf der Karte steht – ich hörte nur am Nachbartisch, dass es auch angeboten wird – ist ebenfalls ein Gedicht. Das Fleisch ist nochmal deutlich zarter als das „Bistecca“, für mich perfekt medium-rare gebraten, mit einer sehr feinen Sauce. Die Spaghetti hatte ich statt Kartoffeln und Grillgemüse bestellt, das war problemlos möglich und kostete keinen Aufpreis. Für mich ist das ein Zeichen, dass hier wirklich noch der Gast im Vordergrund steht, diese völlig überflüssigen zwei Euro, die viele Restaurants für so etwas nehmen, nerven einfach nur so ähnlich wie „draußen nur Kännchen“ im Café...
Inzwischen schallt übrigens „Musica é“ aus den Boxen, die Musik ist ziemlich laut, aber bei Ramazzotti im Duett mit Andre Bocelli ist das auch gut so – es steigert in Kombination mit diesem Rinderfilet einfach nur noch das Urlaubsgefühl. Dazu passen unsere Weine, ein halber Liter Chardonnay (12,50 €) und ein halber Liter Primitivo (13,50 €) - und am Ende auch unsere Nachspeisen. Panna Cotta mit Erdbeersauce, Pistazienschaum-Tupfern und Sahne (6,50 €) sowie die wunderbar locker-schaumige Zabaglione (7,50 €) bilden einen herausragenden Abschluss. Auch wenn ich die Schokoladensauce auf der Zabaglione nicht gebraucht hätte.
Fazit:
Wir sind mit Liebe und Leidenschaft bekocht und bedient worden, man sieht an der Anrichteweise, dass hier mit Liebe zum Detail gearbeitet wird – und die Produkte waren allesamt frisch und von hoher Qualität. Zwei Grappe aufs Haus sind dazu passend der freundliche Abschiedsgruß eines tollen Urlaubs-Abend in Erkelenz-Tenholt: kulinarisch, preislich (157,30 € insgesamt) – und dazu auch noch musikalisch.
Trattoria Villa Toscana
Zum Wahnenbusch 37
41812 Erkelenz
https://villa-toscana-erkelenz.eatbu.com
Öffnungszeiten
Dienstag bis Samstag: 17:00 - 23:00 Uhr
Sonntag: 12:00 - 22:00 Uhr
Montag: geschlossen