Christian Hornung
Es gibt die Kritiker des Valentinstages, die behaupten, das wäre doch eine reine Marketingveranstaltung. Und man könne seine Partnerin oder seinen Partner doch an den anderen 364 Tagen im Jahr genauso verwöhnen. Wenn man dann erstaunt feststellt, dass der Blumenladen im Edeka Markt den Preis für eine langstielige rote Rose ausgerechnet am 14. Februar mal ganz spontan auf fünf (in Zahlen: 5!) Euro etwas mehr als verdreifacht hat, ist gegen diese Argumentation gar nicht mal so viel einzuwenden. Man ärgert man sich dann also kurz über die Preiserhöhung, aber als Typ der alten Schule kann man am 14. Februar bei der Lebensgefährtin natürlich auch nicht ohne antanzen. Und eine passende Restauranteinladung gehört natürlich auch dazu.
Die Schwiegereltern in spe sind also als Babysitter einbestellt und wir begeben uns auf die gewohnte halbstündige Fahrt über die Grenze: Nach unseren Besuchen für den HINDENBURGER im LEV in Reuver und in der NUL77-Skybar in Venlo ist diesmal die „Brasserie Ut Hert“ in Venlo-Blerick unser Ziel. Sowohl bei „The Fork“ als auch bei „TripAdvisor“ sind die Bewertungen hervorragend, die Fotos sehen vielversprechend aus, auch wenn die dort aufgestellten Ranglisten immer wieder sehr wenig mit der Realität zu tun haben: In Mönchengladbach beispielsweise taucht der beste Koch der Stadt, Volker Kasteel aus dem Hardter Lindenhof, bei TripAdvisor auf Rang 93 von 214 Restaurants auf – absurd. Wir lassen uns trotzdem locken, und das ist auch gut so.
Zugegeben: Die Lage des modernen Restaurants hat mit Valentinstag-Romantik nicht so viel zu tun. Das Entrée liegt auf einem kleinen Marktplatz am Rande der Carleys-Einkaufspassage, doch mit einer angenehmen Beleuchtung hinter der großen Glasfront fühlt man sich bei Joyce und Jaap-Pieter Neten-Gubbels gleich willkommen. Sobald es wärmer wird, wird hier ab 11 Uhr morgens durchgehend bis 22 Uhr auch die Außengastronomie betrieben, herausragend soll hier zum Kaffee der Limburger Vlaai, ein flaches Gebäck mit Hefeteigzöpfen und marmeladiger Füllung sein – aber wir sind diesmal abends da.
Das Restaurant mit einem grün beleuchteten Barbereich ist zu zwei Dritteln gefüllt und ziemlich groß, überall hängen Hirsche an der Wand („Ut Hert“ ist der Hirsch), als Gemälde, Plastiken oder animiert auf Holzdielen an der Wand. Wir sehen nur zwei Damen im Service inclusive Getränke, doch die machen ihren Job hervorragend. Freundlich werden wir begrüßt, zum reservierten Tisch begleitet und nach einer kurzen Wartezeit stehen Limoncellospritz und Aperolspritz (beides 7,50 Euro) vor uns. Wie in der Region Limburg üblich gibt es eine ausgiebige Bierkarte, dazu zwei handgeschriebene Tafeln mit jeweils sieben Weiß- und Rotweinen zu vollkommen angemessenen Preisen: Der fruchtige Grand Seigneur Sauvignon Blanc aus Chile kostet im Glas nur 4,35 Euro, und auch die 4,95 Euro für den vollmundigen Doppia Selection Chardonnay-/Pino Gris-Cuvée sind ein Schnäppchen.
Die Speisekarte liest sich vielversprechend, und da wir vorab erfahren hatten, dass das leidenschaftliche und mit sehr viel Herz kochende Ehepaar Neten-Gubbels ausschließlich auf frische möglichst regionale Produkte setzt, freuen wir uns über die große Auswahl:
Es gibt ein Dreigängemenü (im Internet auch als Valentins-Menü beworben) mit mehreren Variationsmöglichkeiten, und auf Nachfrage können wir auch Gerichte aus dem Menü mit denen aus der normalen Karte kombinieren.
Wir entscheiden uns zur Eröffnung für „Tarbot en zalm“ (13,75 Euro) und aus den Zwischengerichten für „Gamba“ (14,95 Euro). Nach knapp fünf Minuten bekommen wir zunächst mal vier kross gebackene Baguettescheiben mit einem Trio aus Olivenöl, Meersalz und nicht zu knoblauchlastiger Aioli. Wir erhöhen kurze Zeit später auf acht Baguettescheiben, weil alle drei Toppings hervorragend schmecken, vor allem das Olivenöl in Kombination mit dem Salz.
Der Tarbot mit Zalm, also Steinbutt mit Lachs, wird anschließend als kleines Kunstwerk dargereicht: Wie ein Strudel geschnitten und mit Algenblättern ummantelt, dazu ein Wildkräutersalat, eine ganz feine Senfmousse und Speck-Crumble – ein absoluter Volltreffer zum Auftakt. Auch meine Freundin ist hellauf begeistert von ihren fünf Gambas, die mit Pernod abgelöscht wurden und in einer hummerfarbenen Sahnesauce baden, dazu gibt es einen Salat vom Staudensellerie und „Sopbrood“, also laut Google-Übersetzer „schluchzendes Brot“. Die Wahrheit über das Sopbrood lässt sich aus unserer rheinländischen Mundart herleiten: Es ist Zopp-Brot, also einfach nur ein normales Weißbrot, das dazu bestimmt ist, in eine Sauce getaucht, also „gezoppt“ zu werden – so wie das im Odenkirchener Tierpark seit jeher der Waschbär mit den Vortagsbrötchen macht.
Beim Hauptgang überlegen wir lange, und wir entscheiden uns dann doch gegen das vermeintliche Signature Dish, also den Hirsch, und nehmen mal Wildschwein – ewig nicht mehr gegessen und hier angeboten mit Trüffel-Pasta, Apfel und einer leichten Gorgonzola-Sauce (26,95 €). Für meine Partnerin wird es das Rinderbavette (ein in Tranchen geschnittenes Flanksteak, das beim Rind unterhalb des Filets sitzt) mit Ratatouille, Landhaus-Pommes, Rotweinsauce und Bimi-Gemüse (21,95 €), also einem Baby-Brokkoli, den die Holländer wegen seines längeren Stengels auch Spargel-Brokkoli nennen. Etwas schade: Selbst für meine Freundin, die ihr Steak immer „medium“ bestellt, ist die Garstufe ein wenig drüber, das hochwertige Fleisch ist fast schon „durch“, aber trotzdem noch relativ zart und durchaus aromatisch, vor allem in Kombination mit der sehr gehaltvollen Rotweinsauce. Das Gemüse, eine Spargelstange liegt auch noch dabei, hat noch etwas Biss und die Pommes sind außen kross und innen weich, aber da muss man in unserem Nachbarland bekanntlich nie Bedenken haben.
Mein Wildschwein ist sehr schön angerichtet, aber von der Portionsgröße ausbaufähig, ebenso die Nudelportion mit kleinen Trüffelsprenkeln. Die leider nur hypothetische Frage „Darf es noch etwas mehr sein?“ hätten wir mit einem begeisterten „Ja!“ beantwortet. Dafür ist das Fleisch aber immerhin ausgesprochen saftig. Die Pasta schmeckt ebenfalls außergewöhnlich. Erstaunlich dabei: Die Kombination aus Trüffel- und Gorgonzola-Geschmack, der wir anfangs etwas skeptisch gegenüberstanden, passt tatsächlich auch, weil sich der norditalienische Blauschimmelkäse wohltuend dezent im Hintergrund hält.
Wir beschließend den Abend mit einer „Süßen Überraschung“ (10,25 €), die wir nur absolut als „gelungen“ feiern können, optisch wie geschmacklich. Weiße Schokolade reicht der Patissier in allen dankbaren Varianten, als Eis, als kugeliges Konfekt, als Sauce auf einer geleeartigen Rhabarberstange, als Creme und noch als Baiser – gut, dass wir uns dieses Dessert-Kunstwerk in bester Valentins-Harmonie durch zwei geteilt haben.
Fazit:
Am Ende des Abends mit zwei Aperitifs, vier Glas Wein und jeweils zweieinhalb Gängen steht eine Rechnung von nur 122,05 €: Das Preis-Leistungs-Verhältnis in der „Brasserie Ut Hert“ ist den halbstündigen Trip aus Mönchengladbach wirklich komplett wert. Und im Gegensatz zu unserem lokalen Rosenhändler hat es hier in Venlo auch mit Sicherheit keinen Valentinstags-Aufschlag gegeben.
Brasserie Ut Hert
Carleyspassage 27
5921 JW Venlo
Niederlande
Tel.: +31-77 374 6537
https://uthert.nl
Geöffnet:
Di.: 11:00 - 18:00 Uhr
Mi. - Sa: 11:00 - 22:00 Uhr
So.: 12:00 - 22:00 Uhr