Christian Hornung
Ziemlich genau 250 Jahre sollen es nach den Überlieferungen aus der Historie Helenabrunns nun schon sein, in denen in diesem wunderbaren Haus Gäste verwöhnt wurden: Ursprünglich als „Schankstätte“ mit einer ersten Erwähnung von 1774, dann immer wieder mit wechselnden Küchenkonzepten, auch mal für längere Zeit geschlossen, dann wieder eröffnet. In diesem Jahrtausend gab es bereits konkrete Pläne, aus dem „Gasthof Hülser“ ein Wohnhaus zu machen. Aus Gourmet-Sicht kann man heute nur sagen: Gott sei Dank ist es ein Restaurant geblieben.
Wir waren für den Hindenburger ja mittlerweile schon in diversen wunderbaren Locations rund um Mönchengladbach unterwegs, es ging nach Venlo und Roermond, nach Reuver und Helden, Erkelenz-Tenholt, Willich-Neersen und –Schiefbahn. Diesmal sind es aus dem Mönchengladbacher Norden gerade mal fünf Minuten, die Kaldenkirchener Straße ortsauswärts Richtung Viersen und dann links ab Richtung St.-Helena-Kirche. Die Parksituation ist hier bisher jedesmal problemlos gewesen, aber gegessen haben wir hier noch nie so herausragend wie dieses Mal – so viel schonmal vorweg.
Dabei begann der Samstagabend etwas schleppend. Begrüßt wurden meine Lebensgefährtin und ich zwar sehr herzlich und die ausgesprochen freundliche und zugewandte Ansprache hielt bis zum Ende an. Doch dann wurde uns im gut gefüllten Gastraum – der wunderbar gemütliche Innenhof war wegen der herbstlichen Kühle nicht mehr geöffnet – ein kleiner Zweiertisch in einer komplett dunklen Ecke zugewiesen. Das entbehrte zwar nicht einer gewissen Romantik, doch wir wollten unser Essen schon auch sehen (und fotografieren) können. Zum Glück wurde nach fünf Minuten ein zweiter Tisch frei und wir durften umziehen. Als Aperitif entschieden wir uns nach ein paar von der reizenden Bedienung mündlich vorgetragenen Vorschlägen für einen Aperol mit Champagner-Schaum, das klang interessant und mal nach etwas Neuem. Doch der „Italian Spritz“ (11,50 €) hielt nicht ganz, was er versprach: er wurde viel zu warm serviert und der Schaum erinnerte nach ein Minuten ein bisschen an die Anlandungen am Nordseestrand. Doch dann ging es aufwärts.
Eröffnet wurde das Diner mit einem frisch gebackenen und richtig saftigen Focaccia, das mit dem bereits auf dem Tisch platzierten Olivenöl und französischem Blütensalz super harmonierte. Ich bekam auf Wunsch auch noch ein zweites.
Bei der Auswahl der Speisen darf sich der Gast dann entscheiden: Tradition oder Moderne. Diese beiden Überschriften finden sich in allen Gängen und geben eine gute Orientierung zwischen Klassikern wie dem Wiener Schnitzel vom Kalb mit Drillingskartoffeln (29,90 €) oder der Neuen Küche mit beispielsweise Gegrilltem Octopus mit Fregola Sarda (35,90 €). Wir machen sowohl bei der Vor- als auch bei der Hauptspeise den Spagat.
Das Carpaccio vom Rinderfilet mit Tagliarini und schwarzem Trüffel (22,90 €) läuft zwar unter „Klassiker“, ist aber modern interpretiert. Die Nudeln sind supercremig, und das Carpaccio hat im Unterschied zu so vielen Restaurants, die es nach der Bestellung aus der Tiefkühlung holen und entsprechend kalt, teilweise feucht und oft geschmackneutral servieren, ein hervorragendes Aroma. Aus der „Moderne“ kommt dann das Krabbenküchlein mit Karotten, Vanille-Chutney und Kokos-Curry-Schaum (17,90 €), eine großartige Melange aus Gebackenem, aus Frische und aus Crunch, umrahmt und abgerundet mit der spannenden und voll gelungenen Kombination aus Vanille, Kokos und Curry.
Danach freuen wir uns auf die Hauptgerichte – doch es gibt dazwischen noch einen Gruß aus der Küche: Ein getrüffelter schwarzer Linsensalat mit Ruccolaschaum in einem kleinen Glas wird uns serviert. Und das hat wirklich etwas von Sterneküche, ein absoluter Volltreffer, der Trüffel ist gut herauszuschmecken, dominiert aber nicht komplett die Linsen und den nussigen Schaum.
Auch bei den Weinen, diesmal entscheiden wir uns mal für die Roten, liegen wir goldrichtig: Cuvée Ursprung von Martin Schneider (5,50 € für 0,1 Liter) und Primitivo Feudi Di San
Gregorio (4 € für 0,1 Liter) gibt es hier „offen“, beide überzeugen mit dunklen Beerenaromen und sehr viel Tiefgang.
Beim Hauptgang wird es dann ein bisschen wild, aber es bleibt auf allerhöchstem Niveau: Ein Bouillabaisse Risotto mit gebratenen Edelfischen, Garnelen, Passe Pierre und Hummerschaum (36,90 €) ist die gewagte Kombination aus der würzigen Fischsuppe Südfrankreichs und Riso Acquerello, dem „ersten gealterten Carnaroli Reis“, den laut Homepage des italienischen Originalprodukts „die besten Chefköche der Welt“ in ihren Restaurants verwenden. Da haben wir wieder was gelernt und sind im Nachhinein nochmal etwas glücklicher, so etwas hier auf dem Dorf serviert bekommen zu haben. Deutlich herauszuschmecken aus dem Gericht ist vor allem der Seeteufel, weitere Fisch-Komponenten sind etwas schwierig zu identifizieren, weil alles miteinander verschwimmt - aber immerhin die große Gamba und der Hummerschaum heben sich vom cremigen Reis noch einmal ab.
Wesentlich „klassischer“ ist demgegenüber unser zweites Hauptgericht, das Rumpsteak mit gebratenen Pfifferlingen, wildem Brokkoli, Kartoffelwaffel und Rosmarin Jus (36,90 €). Die Garstufe ist perfekt getroffen, das zarte und von der Rosmarinsauce (hätte etwas mehr sein dürfen) sanft umgarnte Steak ist der Star auf dem Teller, aber auch die edlen Pilze haben Biss und machen Lust auf die Saison, etwas Frische kommt durch den langstieligen Brokkoli auf den Teller.
Eigentlich passt nach all diesen Gaumenfreuden kein Nachtisch mehr, doch wir lassen zum „Damen-Gedeck“ überreden, einer großen Pistazien-Eiskugel in Espresso (7,50 €) mit einem Haselnussschnaps (4,50 €), was in dieser Kombination tatsächlich nochmal ein krönender Abschluss eines brillanten Abends ist: Das Eis schmilzt leicht in dem Espresso, und es schmeckt wirklich nach Pistazien und nicht nach irgendeiner angerührten Paste mit künstlichen Aromastoffen, auf die leider zu viele Eisdielen setzen.
Fazit: Nur wenige Minuten hinter Mönchengladbach haben wir ein Restaurant gefunden, das gemütlich-bürgerlich aussieht, geschmackvoll eingerichtet ist, ohne den alten Charme zu verlieren – aber von der Küche her gehört es zum Modernsten weit und breit. Wir haben selten so gern 200 Euro für ein absolut großartiges Diner für Zwei bezahlt, in dem so gut wie alles stimmte, vor allem die Mischung aus neu aufgemachter Klassik und voll gelungenen Experimenten hat Küchenchef Jean-Marie Voss perfekt drauf. Überragend!
Gasthof Hülser
Brunnenstr. 4
41748 Viersen - Helenabrunn
Tel.: +49 (0) 21 62 918 63 88
E-Mail: info@gasthof-huelser.de
https://gasthof-huelser.de
Öffnungszeiten:
Mo.: Ruhetag
Di. - So.: 17:00 - 23:00 Uhr