Christian Hornung
Wir geben es ganz offen zu: Unsere halbstündige Reise nach Kempen im Rahmen der „WestGenuss“-Tour des Hindenburger endet zwar brillant, beginnt aber durchaus holprig. Dass die Parkplatzsuche mitten in diesem wunderschönen 35.000-Einwohner-Mittelzentrum nicht die einfachste ist, haben wir schon öfter erlebt, das kann uns natürlich nicht mehr schocken. Zumal meine Lebensgefährtin Astrid und ich auch überhaupt nichts gegen einen kleinen Spaziergang nach einem wunderbaren Festmahl einzuwenden haben, im Gegenteil.
Was die Laune aber zunächst mal trübt, ist der uns zugewiesene Platz in diesem sehr stimmungsvoll angeleuchteten Traditionshaus in der Judengasse. Wir bekommen leider nicht den (offenbar letzten) Zweiertisch im gemütlichen großen Gastraum, sondern werden in einen kleinen Raum mit drei Tischen links neben der Theke geführt. Laut Reservierungsmail durften wir aber froh sein, überhaupt noch ein Diner für Zwei zu bekommen, denn angeblich sei das „Ercklentz“ ansonsten voll. Trotzdem bleiben wir den ganzen Abend über allein in unserem „Séparée“, und als wir nach dem freien Tisch im Gastraum fragen, ist dieser gerade mit Gästen belegt worden, die ohne Reservierung kamen.
Na gut, es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel die Vorspeisenauswahl. Aus unseren vielen Gourmet-Trips rund um Mönchengladbach wissen die Leser des Hindenburger, dass wir verliebt in kreative und liebevoll zubereitete Vorspeisen sind. Hier gibt es genau drei Möglichkeiten: eine „Mini-Gemüse-Quiche“, eine Kürbiscremsuppe und einen Italienischen „Antipastiteller für zwei“ (21 Euro), für den wir dann schließlich votieren. Zuvor werden uns sechs kleine Brotscheibchen mit einem Kräuterquark gereicht. Dann kommt kurz nach unseren sehr erfrischenden und schön gekühlten Aperitiven, einem „White Peach Spritz“ (6,90 Euro) und einem „Bitter Lemon Caipi“ (8 Euro) recht zügig auch die Antipasti-Auswahl. Auf dem länglichen Teller sind fast alle Klassiker vertreten: Getrocknete Sonnentomaten wieder mit dem Kräuterquark, gehobelter Parmesan, Serranoschinken, gefüllte Oliven und gefüllte Peperoni, die ordentlich Schärfe haben. Grüne Paprika sind ebenso an Bord wie gebratene Auberginen, Hummus mit Granatapfelkernen und ein karamellisierter Ziegenkäsetaler auf einem Polentabett. „Happy wife, happy life“: Meine Partnerin ist begeistert, alles ist handwerklich gut gemacht und adrett angerichtet, ich freue mich aufs Hauptgericht.
Ab hier wird es ein Superabend.
Die zwei Tische in unserem Raum bleiben zwar frei, aber die sehr freundliche, fast mütterliche Bedienung (sie weist mich später liebevoll darauf hin, dass zwei Spritzer Sauce den Weg auf mein silbergraues Hemd gefunden haben) tröstet uns: „Ist doch schön hier, oder? Nebenan wäre es Ihnen sicher viel zu laut..“ Tatsächlich schwappt immer wieder fröhlich-ausgelassene Weihnachtsfeierstimmung zu uns herüber in die Stille Nacht im Séparée, dann hängen die nächsten neuen Gäste auch noch ihre Jacken vor unser kleines Holzfenster, dass uns von der Theke trennt. Wir beschließen, uns nicht weiter ausgeschlossen zu fühlen und stoßen dann eben mit einem schönen Primitivo (7,50 Euro) und einem nicht ganz optimal gekühlten Lugana (8 Euro) an. Die herzliche Bedienung bringt netterweise ein Glas mit Eiswürfeln und dann unsere beiden Hauptgerichte – erstmals macht sich Begeisterung breit.
Wir beglückwünschen uns zunächst einmal, nicht der Versuchung erlegen zu sein, Rumpsteak, Burger oder Wiener Schnitzel zu nehmen, sondern etwas zu wagen: Astrid hat sich für die „Geschmorten Ochsenbäckchen mit Pastinaken-Püree und Roquefort-Spätzle“ (26 Euro) entschieden, bei mir werden es die „Pilzravioli in Hummersauce mit Rucola, Cherrytomaten, Hartkäse, Kaviar sowie drei Rinderfiletstreifen und drei gebratenen Garnelen“ (36,30 Euro), die „Rohversion“ ohne Rind und Gambas liegt bei 18 Euro.
Absolut göttlich bei den Ochsenbäckchen: die Rotweinreduktion. Das Bäckchen kommt als wirklich ordentliche Portion und zerfällt fast vor Zartheit, wenn die Gabel (das Messer braucht man dafür nicht) es nur leicht berührt. Und diese Sauce – ein Traum! Sie nimmt in ihrer Verschmelzung der Pastinake jegliche Bitterkeit, und die kann ja durchaus nerven: Meine Tochter Lara, Co-Testerin zuletzt im herrlichen Grevenbroicher „Dreierlei“, hat mal als Baby den Inhalt des Pastinaken-Hipp-Gläschens wortlos und mit pikiertem Gesicht einfach wieder ausgespuckt – dieses hier hätte sie sicher bekehrt. Was es bei diesem Gericht nicht zwingend gebraucht hätte, sind die supermächtigen Käsespätzle. Aber aromatisch sind sie auch, und sie haben einen großen Vorteil: Meine Lebensgefährtin schafft ihretwegen nicht alles vom Fleisch und der Sauce, für die ich mich dann natürlich opfern muss.
Die Ravioli mit all den wunderbaren Beigaben sind ebenfalls ein absoluter Volltreffer. Die Hummersauce ist extrem cremig und hat Tiefe, darauf prangt ein gar nicht mal so kleiner schwarzer Hügel aus Kaviar. Es sind am Ende wirklich sehr viele Geschmackskomponenten. Die weichen, aber keineswegs zu latschigen Ravioli mit der noch gut herausschmeckbaren Pilzfüllung sind der Star des Tellers, aber auch die Gambas sind top-würzig gebraten. Bei Rinderfiletspitzen bin ich als „medium-rare“-Freund aus vielen Restaurants gravierenden Kummer gewohnt. Und auch diese drei kleinen Filet-Dreiecke sind trotz meines vorab geäußerten Wunsches einen Tick zu weit gebraten, was bei der Größe aber auch kaum anders geht, wenn man die schönen Grillspuren sehen möchte. Trotzdem ist das Fleisch ultrazart und gibt deshalb am Ende überhaupt keinen Grund zum Meckern an der Garstufe her.
Ganz großes Kompliment!
Passt noch ein Nachtisch? Zwei nun wirklich nicht mehr, aber einer natürlich schon, wir sind ja beruflich hier. Kaum zu glauben, aber wahr: Die Auswahl ist tatsächlich noch kleiner als bei den Vorspeisen. Es gibt zwei Desserts auf der Karte, Apfel-Spekulatius-Crumble mit Vanilleeis und „Schokoladenmousse mit Rotweinbirne und Mandeln“ (11 Euro) – die wird es. Die Mousse kommt in kleinen Sprenkeln aus der Spritztülle, garniert mit puderzucker-bestäubten Mandeln sowie Himbeeren und Brombeeren, einem wunderbaren Macaron und der ebenso üblichen wie überflüssigen Physalis. Die schön lockere, nicht zu süße Mousse ist ganz hervorragend gelungen, was die nicht so geglückte Birne verschmerzen lässt: Die ist viel zu hart und vermutlich viel zu kurz in weihnachtlichem Rotwein gebadet. Die Gewürze wie Nelke, Zimt, oder Sternanis passen natürlich in die Saison, die Konsistenz der Frucht hingegen eher in die Eiszeit.
Fazit:
Fans von Vorspeisen oder Nachspeisen müssen die gute halbe Stunde aus Mönchengladbach nicht unbedingt fahren. Aber für die Hauptgerichte wäre auch die doppelte Reisezeit komplett angemessen gewesen. Das Küchenteam vom „Ercklentz“ beziehungsweise die Ersteller der Speisekarte konzentrieren sich eindeutig auf das Wesentliche, aber das machen sie herausragend: Wenn die Sauce Gradmesser für das
Niveau eines Restaurants ist, dann hat das Haus einen Stern verdient. Dazu die hauchzarten Bäckchen, die tolle Kombination aus
Pasta, Pilzen, Kaviar, Hummersauce, Gambas und Rinderfiletspitzen, das war wirklich ein Fest.
In diesem Sinne:
Wir wünschen ein frohes und genussreiches – im neuen Jahr dann gerne wieder in allen drei Gängen!
Restaurant Ercklentz
Judengasse 8
47906 Kempen
Tel.: +49 . (0) 2152 - 99 46 028
E-Mail: kontakt@restaurant-ercklentz.de
https://www.restaurant-ercklentz.de
Öffnungszeiten:
Sonntag: 12 - 14:30 Uhr und 17 - 22 Uhr
Montag: geschlossen
Dienstag: 17 - 22 Uhr
Mittwoch: 12 - 14:30 Uhr und 17 - 22 Uhr
Donnerstag: 12 - 14:30 Uhr und 17 - 22 Uhr
Freitag: 12 - 14:30 Uhr und 17 - 22 Uhr
Samstag: 12 - 14:30 Uhr und 17 - 22 Uhr