Die Räumlichkeiten des Museums Abteiberg Die Räumlichkeiten des Museums Abteiberg
Foto: © Jessica Sindermann
01.09.2021
Kunst

Das Museum Abteiberg

Eine Institution der besonderen Art

Redaktion: Jessica Sindermann

Das Museum Abteiberg – Ein namhafter Ort im Herzen von Mönchengladbach, der auf eine sehr besondere Geschichte zurückblicken kann. Alles begann im Jahr 1904, als eine komprimierte, stadtgeschichtliche Sammlung erstmals in die Räumlichkeiten einer ehemaligen Volkshochschule zog. Von da an nahmen die Bestände stetig zu. 1924 stellte Oskar Kühlen dann sein Wohnhaus in der Bismarckstraße 97 zur Verfügung, in der das „Städtische Museum“, bis zur Errichtung des, durch einen Ratsentschluss 1963 beschlossenen Museumsneubau, untergebracht war. Viele junge, experimentelle Künstler*innen, nicht zuletzt auch Joseph Beuys, hatten unterdessen im Provisorium des Städtischen Museums auf der Bismarckstraße ihre ersten Museumsausstellungen gehabt. Als Museum für Bildende Kunst präsentiert das Museum heute unter anderem Werke von Joseph Beuys, Richard Serra, Andy Warhol, Sigmar Polke, Gerhard Richter, Martin Kippenberger, Markus Oehlen, Heinz Mack, Ulrich Rückriem und Gregor Schneider.

Auch 2020 war ein außergewöhnliches Jahr in der Geschichte des architektonischen Gesamtkunstwerks auf dem Abteiberg: Das kulturelle Leben in unserer Stadt stand monatelang still und auch das Museum musste seine Pforten pandemiebedingt geschlossen halten. Ich habe Susanne Titz, die seit 2004 Leiterin des Museums Abteiberg und des Fachbereichs Museen der Stadt Mönchengladbach ist, in den modernen, einladenden Museumsräumen zum Interview getroffen und mit ihr über die coronabedingte Schließzeit, Besonderheiten unseres Museums und die derzeit laufende Ausstellung zum Jubiläum von Joseph Beuys gesprochen!

HINDENBURGER:
2020/ 2021 war das Museum Abteiberg geprägt von einer monatelangen, coronabedingten Schließzeit. Wie haben Sie die Krise erlebt? Wie war es für Sie als Museumsdirektorin durch die eigenen, geschlossenen Häuser zu gehen?

Susanne Titz:
Es war natürlich nicht einfach, da wir ja auch, wie alle anderen, Teil eines großen Experiments wurden: Wir alle waren dazu gezwungen auf etwas zu reagieren, was uns in diesem Moment gefährdete, ohne explizit zu wissen, was zu tun ist! Muss der Museumsbetrieb eingestellt werden oder bleiben die Türen geöffnet? Und wenn, unter welchen Hygienevorschriften? Das waren Fragen, die insbesondere das Jahr 2020 geprägt haben. Die Ausstellung von Andrea Bowers, welche wir uns lange im Voraus gewünscht hatten, sollte am ersten Tag des Lockdowns eröffnen. Das Resultat war, dass auch unser Museum schließen musste und die Künstlerin selbst ihre Ausstellung niemals zu sehen bekam. Coronabedingt musste via Zoom aufgebaut werden, was zunächst eine vollkommen neue Herausforderung darstellte: Anders als vorher, war es plötzlich ein permanentes „digitales Miteinanderkommunizieren“!

Schön war es dann im Sommer, als wir wiedereröffnen durften und ein ganz tolles und dankbares Publikum hatten. Gemeinsam mit Andrea Bowers wurde ein interessantes Programm erstellt, bei dem Aktivist*innen aus der Stadt zu Themen wie Feminismus und Klimaschutz hier Workshops gegeben und Vorträge gehalten haben. Andrea haben wir dann teilweise via Zoom dazugeschaltet. Da es nicht erlaubt war, weiterhin Führungen zu geben, entstanden in dieser Zeit ganz neue Formate mit wesentlich weniger Teilnehmer*innen, die wir bis heute beibehalten haben und auf die wir jederzeit zurückgreifen können. Beispielsweise haben wir begonnen, unter Einhaltung der Abstände Sitzkreise zu bilden und uns zu entsprechenden Themen auszutauschen. Das war wunderschön!

HINDENBURGER:
Also würden Sie sagen, dass durch Corona wiederum auch tolle, neue Ideen entstanden sind?

Susanne Titz:
Definitiv! Eine ganz konkrete: das Festival „Pop Paradiso“. Wir haben im letzten Jahr festgestellt, dass sich unser Skulpturengarten hervorragend als Kulisse für Konzerte und kleinere Veranstaltungen eignet, da er unter freiem Himmel genug Platz bietet, um die Abstände einzuhalten und Hygiene- und Sicherheitskonzepte umzusetzen. Auch dieses Jahr im August haben wir dort wieder ein 10-tägiges Festival mit Konzerten, Tanzdarbietungen, Kinderprogramm und einem Diskurs über die Entwicklung der Stadt veranstaltet, welches sogar von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde. Erst durch Corona haben wir gemerkt, dass wir den Skulpturengarten für Veranstaltungen nutzen und in Zukunft vielleicht für Festivals, Singer-Songwriter Contests etc. auch vermieten können.

HINDENBURGER:
Zu Beginn des zweiten Lockdowns war zunächst unklar, ob auch Museen ihre Türen schließen sollen: Sie wurden einfach nicht genannt. Werden Museen als Bildungsorte ihrer Meinung nach ernst genug genommen?

Susanne Titz:
Als die Museen mit Bordellen und anderen Institutionen gleichgesetzt wurden, haben wir schon gedacht: „Okay, das ist ein schlechtes Zeichen!“ Im Nachhinein hat sich dann jedoch herauskristallisiert, dass an dieser Stelle etwas falsch gelaufen ist. Es wurde wieder mehr darüber nachgedacht, was „Kultur“ überhaupt bedeutet und erkannt, dass Museen und Theater, abgesehen von der Bespaßung, sehr wohl eine Bildungsaufgabe haben; dass sie eine Bereicherung für die Städte sind und Menschen dazu anregen, in einen Diskurs zu treten. Ich glaube, die Rolle der Kultur wurde gerade jetzt in der Krise noch einmal anders deutlich. Das hat auch damit zu tun, dass wir als Museum Abteiberg beispielsweise mit lokalen Schulen Formate entwickelt haben, die den Schüler*innen ermöglichten, das Museum trotz der Einschränkungen innerhalb der Schulen weiterhin als außerschulischen Lernort zu nutzen und in Kleingruppen an Projekten und Aufgaben weiterzuarbeiten. „Wie kann man dieses Museum nutzen? Was kann hier gemacht werden, damit Schüler*innen mehr erfahren, sich ausprobieren und kreativ werden können?“ sind Fragen, die während der Pandemie viel stärker ins Bewusstsein gerückt sind. Daran sollten wir anknüpfen und mit all den engagierten Lehrer*innen darauf hinarbeiten, diese neu entstandenen Ideen umzusetzen.

HINDENBURGER:
Zum Jubiläum Joseph Beuys in diesem Jahr haben Sie sich etwas Besonderes im Museum Abteiberg einfallen lassen: „Institutionskritik – das Museum als Ort der permanenten Konferenz“ nennt sich die Ausstellung. Was hat es damit auf sich und wie kam es dazu?

Susanne Titz:
100 Jahre Beuys bedeutet natürlich, dass gerade in einer Stadt wie Mönchengladbach, wo Beuys so eine wichtige Station in seinem Leben hatte, auch etwas getan wird. Doch die Frage ist immer: Was macht man zu einem solchen Jubiläum und wie macht man es in einer Weise, die ihm gerecht wird? Denn er selbst war eben nicht der klassische Künstler, der die verehrungswürdigen Gemälde und Skulpturen in die hohen Hallen des Museums gehängt hat. „Abstellen nicht Ausstellen“, war sein Motto. Daher lehnten bei seiner ersten Ausstellung hier in Mönchengladbach alle möglichen Gegenstände gegen die Wand oder lagen auf dem Boden. Gegenstände, die einer Kellerentrümpelung glichen, jedoch gleichzeitig Kultur- und Gesellschaftsgeschichte repräsentieren sollten. Beuys ging es viel um die Rolle einer Institution und darum, was ein Museum ihm zufolge ist – ein Erinnerungsort, ein Stück Geschichte, etwas Spirituelles, das uns als geistige Wesen daran erinnert, dass wir gewisse Bezugspunkte und Symbole haben. Wir haben uns dann überlegt, dass wir Beuys Denken über das Museum und die Institutionskritik als Auslöser für sein Denken als Aufhänger für unsere Ausstellung nehmen wollen. Er wollte eine andere Art von Museum und die haben wir nun hier! Beuys selbst hat viel Inspiration gegeben, aber zudem haben wir uns überlegt, dass es folgerichtig und konsequent wäre, auch eine junge Künstlerin zu bitten, nochmals darauf zu reagieren und zu überlegen: Was ist für mich Beuys und was mache ich heute, wenn ich über eine Institution nachdenke? Und unsere Auswahl fiel dann auf Ghislaine Leung, mit der wir diese Ausstellung auf die Beine gestellt haben.

HINDENBURGER:
Was macht eine gute Ausstellung Ihrer Meinung nach aus?

Susanne Titz:
Eine gute Ausstellung ist immer ein sehr intensiver Raum. Das hat immer sehr viel mit Raum zu tun! Ich denke, Künstler*innen haben, wenn sie etwas fertigstellen, im Nachhinein noch enorm viel Arbeit es in einem Raum gut zu präsentieren und es ist unfassbar spannend, wenn diese dann auch die Räume ihrer Ausstellungen selber bestimmen. Bei uns geht es sogar soweit, dass sie auch die Sammlung mitbestimmen. Jede Ausstellung, die im Museum Abteiberg stattfindet, geht in die Sammlung über. Das bedeutet, dass einige Objekte von den Künstler*innen stehengelassen oder geschickt in die eigene Ausstellung eingebaut werden müssen. Wenn man das Gefühl hat, die Atmosphäre ist speziell, regt einen an und lässt einen beschäftigt sein mit dem Raum, dann ist eine Ausstellung gut.

HINDENBURGER:
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Museums Abteiberg?

Susanne Titz:
Es gibt ein tragisches Moment in diesem Haus: es wurde eigentlich mitten in der Stadt errichtet, um auch MITTEN in der Stadt zu sein und kein „Elfenbeinturm“. Daher gibt es auch die vielen Treppen, Brücken und den Skulpturengarten, die das Museum zu einem öffentlichen Raum mit vielen Zugängen machen sollten. Zu einer großen Metapher für die Stadt. Allerdings hat sich die Innenstadt drum herum nicht wirklich mit dem Museum verbunden und umgekehrt, weshalb das Haus sehr hermetisch wirkt. Das zu erzeugen ist aktuell ein großes Thema – die Innenstadt soll neu erfunden werden und dafür benötigen wir intelligente Ideen. Das wäre auf jeden Fall ein großer Wunsch für das Museum! Dann können wir noch besser darstellen, dass das Museum ein sehr spezieller Ort für die Gesellschaft ist.

HINDENBURGER:
Das Museum Abteiberg mitten in unserer Innenstadt ist immer einen Besuch wert und bis zum 24. Oktober kann dort noch die Ausstellung „Institutionskritik – das Museum als Ort der permanenten Konferenz“ zu Joseph Beuys bestaunt werden. Wir bedanken uns bei Frau Titz für die interessanten Antworten und die exklusiven Einblicke in eine Institution der „besonderen“ Art!