Jessica Sindermann
Kunst sehen, Kunst fühlen, Kunst begreifen – Dass das nicht ausschließlich in Museen oder Galerien mit cleanen, lichtdurchfluteten Räumen und minimalistischer Einrichtung möglich ist, zeigt die Kunstbranche in Zeiten der Digitalisierung durch Online Galerien und „Digital Art“. Besonders in den letzten Jahren hat „Digital Art“ die Szene revolutioniert und eine innovative Möglichkeit geschaffen, um den Werken vieler Künstler*innen mithilfe elektronischer Technologien eine neue Stimme zu verleihen. Pinsel, Acryl und Ölfarben wurden gegen Licht, Ton und Pixel getauscht. Daraus ist eine vollkommen neue Kunstbewegung entstanden, die in der modernen Gesellschaft immer mehr an Beliebtheit gewinnt.
Auch im Großraum Mönchengladbach/Heinsberg ist eine kleine Gruppe talentierter Digital-Urban Art-Künstler*innen unter dem Namen „T!LT“ aktiv, die seit 2020 insbesondere via Social Media mit ihren Werken zum Schmunzeln und Nachdenken anregt. Spezialisiert haben sich die jungen Künstler*innen auf Stencils (Sprühschablonen) und „Digital Trash Art“ (digitalisierte Bildcollagen), mit deren Veröffentlichung sie ihr Publikum seitdem regelmäßig begeistern. Im Interview spricht die Gruppe über ihre eigene Gründung, Urban Art und die Digitalisierung von Kunst in Gegenwart und Zukunft!
HINDENBURGER: Wie ist es zur Gründung von „T!LT“ gekommen? Hat der Name eine bestimmte Bedeutung?
T!LT: Angefangen hat es als Soloprojekt, jedoch stellte sich schnell heraus, dass T!LT nicht weiter alleine bleiben und in Zukunft etwas Großes werden soll! Der Grundgedanke für die Namensgebung kommt tatsächlich vom Spiel Pinball (Flippern). Dort wird dem Automaten gelegentlich ein kleiner Anstoß gegeben, um die Kugel in die richtige Richtung zu lenken. Und genau das wollen T!LT mit ihren Kunstwerken auch bei den Menschen erreichen.
HINDENBURGER: Wie seid ihr mit dieser Art der Kunst in Verbindung gekommen? Was hat euch dazu bewegt?
T!LT: Die Stencil Kunst an sich ist ja nun schon etwas älter. Daher sind wir in gewissem Maße alle schon frühzeitig mit dieser Art von Kunst in Berührung gekommen. Jeder von uns hat seine eigenen Vorbilder, wie zum Beispiel Blek le Rat und Banksy, doch auch andere Elemente der Street-Art inspirieren uns. Zur Digitalisierung unserer Arbeiten kam es dann eher durch Zufall: Unsere Druckerpatronen versagten und da wir unseren Follower*innen dennoch den gewohnten Content bieten wollten, war dies die naheliegendste Lösung. Da die „Digital Trash Art“ sehr gut ankommt, haben wir unseren Schwerpunkt aktuell daraufgelegt. Stencils fertigen wir aber trotzdem noch an und alle „Digital Trash Art“ Bilder von uns, sind so konzipiert, dass die Fertigung von Stencils daraus mühelos möglich ist.
HINDENBURGER: Was begeistert euch an Urban Art?
T!LT: Dass diese Art von Kunst im Grunde genommen für jeden kostenlos verfügbar ist und man nur die Augen offen halten muss!
HINDENBURGER: Was möchtet ihr als Digital-Trash-Art und Stencil-Künstler mit eurer Kunst bewirken?
T!LT: Wir möchten den Menschen mit unseren Bildern sowohl ein Lächeln ins Gesicht zaubern, als auch zum Nach- und Überdenken anregen. Wichtige Themen sind an dieser Stelle vor allem Missstände in der Gesellschaft, Rassismus, Akzeptanz, Toleranz, Diversität etc. Hin und wieder kommen natürlich auch persönliche Erlebnisse ins Spiel. Unser Bild „Devil’s Smile“ zeigt Jeff Bezos, den Gründer des Onlineversandhändlers Amazon und ist beispielsweise daraus entstanden, dass jemand von uns etwas bei Amazon zurückschicken wollte, 25 % des Kaufpreises der Umwelt zur Liebe jedoch nicht erstattet werden sollte. Zur gleichen Zeit ließ Herr Bezos sich ins All schießen und hat damit vermutlich eine höhere Umweltverschmutzung verursacht als jedes zurückgeschickte Paket.
HINDENBURGER: Urban Art, vor allem Graffiti als ein Teilbereich, galt lange als kriminelle Vereinnahmung fremden Eigentums. Heute ist sie eine angesehene und hochdotierte Kunst. Wie beurteilt ihr diese Entwicklung?
T!LT: Als erstes sei gesagt, dass in diesem Bereich der Kunst nicht nur „wahre Kunst“ existiert, sondern leider auch sehr viel Schmiererei. Deshalb sollte hier klar differenziert werden. In dem Moment, wo man etwas ohne Einverständnis besprüht, beklebt oder anderweitig verändert, was einem nicht gehört, ist und bleibt es Sachbeschädigung. Dessen sollte man sich deshalb klar bewusst sein! Und genau aus diesem Grund fertigt T!LT nichts auf fremdem Eigentum an. Wir besprühen beispielsweise Leinwände, welche man als Dekoobjekte an die Wand hängen kann und überzeugen mit Digitaler Kunst. Und ebendiesen Wandel, die Street-Art von der Straße ins Wohnzimmer zu holen, finden wir extrem gut, da so nicht fremdes Eigentum beschädigt werden muss. Sollte ein Hausbesitzer damit einverstanden sein, sein Eigentum mit Street-Art verschönern zu lassen, ist daran natürlich nichts auszusetzen!
HINDENBURGER: Die Digitalisierung von Kunst revolutioniert aktuell den Kunstmarkt, allerdings wird zurzeit trotzdem noch mehr nach klassischer Kunst wie Skulpturen oder Gemälden gesucht. Denkt ihr das wird sich ändern?
T!LT: Wir denken, dass die klassische Kunst immer ein wichtiger Bestandteil sein und vermutlich auch immer die größere Rolle spielen wird! Allerdings ist es durchaus möglich, dass auch diese „neue“ Art von Kunst durch den digitalen Wandel sehr präsent werden kann. Mittlerweile gibt es ja bereits die Möglichkeit, digitale Kunst beispielsweise mit Bitcoins oder anderen Crypto-Währungen zu bezahlen, was auch den Fortschritt der digitalen Kunst weit nach vorne treibt. Was die Zukunft noch so alles bringen wird, kann keiner wissen, aber es wird wohl eher vorwärts als rückwärts gehen!
HINDENBURGER: Kann man eure Werke bereits erwerben? Wenn ja, wo?
T!LT: Aktuell kann man uns bei Interesse gerne über Instagram eine Nachricht zukommen lassen. Kundenanfertigungen können dort besprochen und daraufhin individuell angefertigt werden, bis unser für die Zukunft geplanter Online-Shop inklusive Galerie gelauncht wird. UND es lohnt sich natürlich immer, die Umgebung genauer zu betrachten: Wer weiß, vielleicht findet der ein oder andere ja sogar ein Werk gratis?!
HINDENBURGER: Welche Wünsche habt ihr für die Zukunft von „T!LT“ und Digital Trash Art im Allgemeinen?
T!LT: Wir wünschen uns sowohl für T!LT, als auch für die „Digital Trash Art“, dass das Interesse an dieser Kunstform zunimmt und wir stetig weiter wachsen. Wie bereits erwähnt, arbeiten wir an einem Online-Shop mit Galerie, in dem man unsere Werke in verschiedenster Form erwerben können wird – In Richtung Mode ist da beispielsweise einiges in Planung! Auch kleinere Ausstellungen stehen auf unserer Liste. Ansonsten hoffen wir, dass uns die Ideen nicht ausgehen!
HINDENBURGER: Alle Mönchengladbacher Fans der Urban Art können sich also definitiv in Zukunft auf einiges freuen und das „Augen-offen-halten“ in der Umgebung lohnt sich! Talentierte Künstler*innen, kreative Werke und starke Messages dahinter – „Daumen hoch“ für T!LT und diese innovative Kunstform in unserer Stadt!