Jessica Sindermann
Werden Kinder und Jugendliche nach ihren Hobbys gefragt, lautet die Antwort meistens „Fußball“, „Tennis“ oder „Handball“. In Deutschland sind etwa 7,2 Millionen Mädchen und Jungen in Turn- und Sportvereinen aktiv. Sie treffen dort Gleichgesinnte, können sich auspowern, ihren Hobbys nachgehen, entwickeln Kraft und ein gesundes Körperbewusstsein. Vereine sollten eigentlich ein sicherer Ort sein – sind sie aber häufig nicht. Denn auch im Sport ist sexuelle Belästigung ein weit verbreitetes Thema.
Das bestätigt auch die Studie „Safe Sport“ der Sporthochschule Köln. Rund 1800 Kaderathlet*innen aus 128 unterschiedlichen Sportarten wurden befragt und etwa ein Drittel gab an, bereits sexualisierte Gewalt in ihrer Laufbahn erlebt zu haben. Mädchen waren doppelt so häufig betroffen wie Jungen und die meisten waren bei der ersten Gewalterfahrung zwischen 14 und 17 Jahren. Die Täter: überwiegend männliche Personen aus dem Vereinsumfeld. Es ist also an der Zeit, die Augen zu öffnen. „Dass sexualisierte Gewalt in allen gesellschaftlichen Bereichen vorkommt, ist seit vielen Jahren bekannt. Nur wurde das Thema besonders im Sport leider häufig tabuisiert. Wir müssen Sportvereine dazu animieren, sich diesem Thema zu stellen“, sagt Wolfang Rombey, der Präsident des Stadtsportbundes Mönchengladbach. „So was gibt es bei uns nicht!“ ist die beliebteste Ausrede. Und auch die Wissenschaft spricht von den vier Grundirrtümern „Es ist nicht so schlimm“, „Es sind Einzeltäter“, „Es passiert nicht jetzt“, „Es passiert nicht hier“. Und was ist, wenn doch? Was ist, wenn Ihr Kind bereits Opfer von sexualisierter Gewalt im eigenen Sportverein ist oder war?
„Es müssen Präventions- und Interventionskonzepte her. Denn obwohl das Thema seit etwa einem Jahrzehnt präsent ist, haben erst 25 % aller Sportvereine ein solches Schutzkonzept entwickelt. Nur etwa 10 % haben feste Ansprechpartner benannt“, erklärt Wolfang Rombey, der Leiter des Stadtsportbundes Mönchengladbach. Und ein solches Schutzkonzept hat der Stadtsportbund jetzt gemeinsam mit dem Verein Zornröschen e.V. und Borussia Mönchengladbach ins Leben gerufen: Das Präventionstheaterstück „Abpfiff“ für Vereine und Schulen, das sich insgesamt in drei Teile gliedert. Vorab findet eine Infoveranstaltung für die Trainer*innen, Eltern und Bezugspersonen statt, bei der die spezielle Dynamik von sexualisierter Gewalt im Sport anhand von einzelnen Szenen des Theaterstückes veranschaulicht werden soll. Kinder und Jugendliche sehen das Theaterstück dann live. „ab!pfiff“ thematisiert Grenzverletzungen in Form von sexuellen Übergriffen durch Trainer*innen und Jugendliche, Kontaktaufnahmen im Internet und demütigende Bemerkungen über Körperlichkeit und die sexuelle Orientierung. In einem theaterpädagogischen Workshop werden die einzelnen Situationen anschließend besprochen und Handlungsstrategien erarbeitet. Die Teilnehmer*innen lernen, wie sie agieren sollten und an wen sie sich im Falle einer solchen Grenzverletzung wenden können. – Ein gutes und sinnvolles Projekt, das Spaß und Ernst miteinander verknüpft und für ein wichtiges Thema sensibilisiert.
Sexuelle Belästigungen und anzügliche Text- oder Bildnachrichten mit sexuellen Inhalten im Kontext des Vereinssports kommen vor. Oftmals hinter verschlossenen Türen, abgeschirmt von der Öffentlichkeit – aber öfter als Sie denken. „Ich muss mal fühlen, wie stark deine Muskeln geworden sind“ oder „Ich muss mal messen, wie dein Körper gewachsen ist“ sind nur zwei solcher Beispiele.
Passen Sie gut auf Ihre Kinder auf!
Schulen und Vereine, die sich für das Projekt „ab!pfiff“ interessieren, Informationen erfragen oder einen Termin vereinbaren wollen, können sich an den Verein Zornröschen e.V. wenden. Die Ansprechpartner sind hier Dr. Jörg Hornivius und Jochen Schell.
Zornröschen e.V.
Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen
www.zornroeschen.de