01.04.2021 Anzeige
Medizin + Co

Neue Perspektiven durch Genesungsbegleitung

Wer kennt das Berufsbild eines Genesungsbegleiters oder hat schon mal von „Peer-Beratung“ oder „Ex-In“ gehört? Was verbirgt sich hinter dem Begriff und wie sieht der berufliche Alltag aus?

Ex-In-Genesungsbegleiter*innen sind Menschen, die selbst in psychiatrischer Behandlung waren und eine Schulung als Genesungsbegleiter*in abgeschlossen haben. Mit dieser Qualifikation können sie in Einrichtungen für psychisch erkrankte Menschen arbeiten und diese unterstützen.

Als selbst Betroffene verfügen sie über ein anderes Verständnis der Erkrankung und können aus ihrem eigenen Werdegang Anregungen und Hilfen geben. Im Reha-Verein gibt es vier Genesungsbegleiter*innen. Der erste, Andreas Renner, übt seinen Beruf seit 2015 aus.

Er berichtet aus seinem Alltag:

„Ich arbeite im Reha-Verein in einem multiprofessionellen Team, daher kommen einige Menschen über die Kontakte im Rahmen des Betreuten Wohnens oder über die Tagesstruktur (Werkstätten) zu mir. Es ist eine bunt gemischte Gruppe im Alter von Mitte zwanzig bis Anfang sechzig mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern. Neben den Gesprächen, die ich regelmäßig anbiete, begleite ich teilweise individuell im Alltag, biete aber auch Gruppen an. In den Gesprächen geht es um Austausch, um Nachempfinden und darum, Hoffnung zu geben und Perspektiven aufzuzeigen. Häufig bedeutet es für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in einer Krise schon eine Entlastung, wenn sie mit jemandem reden können, von dem sie das Gefühl haben, dass er ähnliches erlebt und daher ein anderes Verständnis hat.“ Ganz wichtig ist ihm die positive Bestärkung der Menschen, die er begleitet. Die eigenen Stärken (wieder) zu entdecken und auszubauen, eine gesundheitsfördernde Haltung zu entwickeln, - auch darin sieht er seine Aufgabe.

Und damit auch er (wie seine Kolleg*innen) sich Unterstützung holen kann, gibt es regelmäßige Reflexionsrunden zum Austausch und zu „Fallbesprechungen“.

Und wie kam er selbst auf die Idee, Genesungsbegleiter zu werden?

Nach einer schulischen kaufmännischen Ausbildung begann Herr Renner – als alleinerziehender Vater - ein Vollzeit-Studium der Sozialen Arbeit. Daneben arbeitete er eine Zeitlang als Lehrkraft für Englisch im Quereinstieg und trainierte ehrenamtlich die Fußballmannschaft seines Sohnes. Die permanente Überlastungssituation führte zum Burnout und einem teilstationären Aufenthalt in der Tagesklinik. Schon im frühen Erwachsenenalter hatte er außerdem mit Depressionen zu kämpfen. Über Betreutes Wohnen und arbeitstherapeutische Maßnahmen beim Reha-Verein konnte er sich stabilisieren und neue Perspektiven für sich entwickeln. Hier entstand auch die Idee, eine Qualifizierung als Genesungsbegleiter zu machen. Denn wer, wenn nicht ein Betroffener, kann glaubhaft Beispiel und Ansporn für ein Überwinden psychischer Krisen sein? Diese Argumentation überzeugte denn auch das Jobcenter, so dass Herr Renner die Genesungsbegleitung als geförderte Weiterbildung absolvieren konnte. Während dieser Zeit stand zunächst die Beschäftigung mit der eigenen Person und Erkrankung im Mittelpunkt, ebenso das Kennenlernen und der Austausch mit Teilnehmer*innen mit anderen Krankheitsbildern und Genesungsprozessen. In der zweiten Hälfte der Weiterbildung ging es dann vorrangig um das Erlernen von Beratung, Krisenbegleitung und mehr, auch im Rahmen von Rollenspielen. Flankiert wurde das Ganze von zwei Praktika, die er im Reha-Verein und in der Depressions-Abteilung der LVR-Klinik in Rheydt absolvierte. „Es ist eine total bereichernde Arbeit“, berichtet er und ergänzt: „Ich lerne ständig dazu.“


Veranstaltungstipp:

„Ex-In Genesungsbegleiter - Psychiatrieerfahrung als Berufskompetenz?!“ Trialogisches Online-Forum am 20. April 2021 von 18:00-19:30 Uhr mit Andreas Renner

Gleichberechtigter und offener Austausch dreier Gruppen im sozialpsychiatrischen Kontext - Patient*innen, Angehörige und Berufspraktiker*innen - soll mehr Verständnis für die jeweils anderen Gruppen schaffen.

Anmeldung per Mail: a.renner@rehaverein-mg.de


Reha-Verein
Thüringer Str. 12
41063 Mönchengladbach
Tel.: 02 16 1 - 69 77 70
Fax: 0 21 61 - 69 77 72 -9
www.rehaverein-mg.de