01.05.2021
Medizin + Co

Unsere Hausärzte in der Pandemie

Wichtige Rolle im Kampf gegen Corona

Redaktion: Marc Thiele

Seit über einem Jahr bestimmt Corona unser Leben und bedroht unsere Gesundheit. Auch in den Arztpraxen führte die Pandemie zu vielen Veränderungen. Waren es in der ersten Phase 2020 noch abnehmende Patientenzahlen und aufgeschobene Untersuchungen, ist es nun die Impfung gegen das Corona-Virus, die im Fokus steht, denn seit ein paar Wochen sind nun auch die Hausärzte in die Impfkampagne eingebunden. Der HINDENBURGER sprach mit dem Mönchengladbacher Facharzt für Allgemeinmedizin Stefan Aretz von der Praxis Dr. Aretz + Partner, die mit drei Praxen im Stadtgebiet vertreten ist, über zurückliegende, aktuelle und zukünftige Entwicklungen der Corona-Pandemie und die Rolle der Hausärzte.

HINDENBURGER: Hat sich das Patientenaufkommen-/verhalten in der Coronakrise geändert? Werden wichtige Untersuchungen / Behandlungen immer noch, wie in der Anfangsphase der Pandemie, verschoben / nicht angegangen?

Stefan Aretz: Das Patientenaufkommen ist seit Beginn der Pandemie schwankend. Es gab vor genau einem Jahr zu Beginn der Pandemie einen deutlichen Patientenrückgang mit nicht wahrgenommenen Untersuchungen. Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich dies jedoch normalisiert. Wir konnten in der Praxis mit etablierten Hygienekonzepten ein möglichst sichereres Umfeld schaffen, so dass beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen, Check-Ups und Routinekontrollen getrennt von den akuten Infektionssprechstunden stattfinden.

HINDENBURGER: Im letzten Jahr berichtete viele Ärzte von stark rückläufigen Patientenzahlen (wohl aufgrund der Angst vor einer Infektion in der Praxis). Hat sich diese Angst bei den Patient*Innen gelegt?

Stefan Aretz: Durch diese zeitlich und räumlich getrennten Infektionssprechstunden und aber auch die „Gewöhnung“ der Patienten an die Pandemiesituation (Tragen einer Maske, telefonische Ankündigung in der Praxis bei akutem Infektgeschehen, geöffnete Fenster im Sprechzimmer etc.) findet sicher eine andere Art, aber dennoch relativ geregelte Sprechstunde statt.

HINDENBURGER: Wie wird das Corona-Impfangebot in der Praxis angenommen?

Stefan Aretz: Die ersten Anfragen zur Vereinbarung eines Impftermins in unserer Praxis hatten wir im Dezember 2020, noch vor Zulassung der ersten Impfstoffe. Seit dem sind die Anfragen von Woche zu Woche steigend und aktuell verständlicherweise auf dem Höhepunkt. Leider ist diese Vielzahl an Anfragen für Mensch und Maschine (Anzahl Telefonleitungen) aktuell kaum händelbar, so dass es momentan zu einer eingeschränkten Erreichbarkeit der Praxis kommen kann. Den hausärztlichen Kollegen in Mönchengladbach geht es aber meines Wissens nicht anders.

HINDENBURGER: Sind die Patient*Innen Ihrer Meinung nach gut über die Impfstoffe und Impfungen informiert oder gibt es trotz Impfkommunikationskampagne noch einen großen Informationsbedarf?

Stefan Aretz: In jedem Behandlungsanlass ist COVID-19 und die dazugehörigen Impfungen momentan natürlich Thema. Bei den sich ständig ändernden Erlässen und Empfehlungen herrscht eine große Unsicherheit bei gleichzeitig relativ breitem fachlichem Wissen. So kann die hausärztliche Beratung meist in kurzer Zeit zu einem gut informierten Patienten führen der mit weniger Sorgen Entscheidungen treffen kann.

HINDENBURGER: Es gibt immer noch eine große Zahl an alten Menschen Ü80, die nicht in Alten-/Pflegeheimen leben oder einen Pflegedienst benötigen, sondern zuhause leben und impfberechtigt wären, aber nicht oder nur schwer die Impfzentren erreichen können. Sind die Hausärzte in der Lage, diese Impflücke zu füllen?

Stefan Aretz: Wir haben in den letzten zwei Wochen ca 50% unserer nicht mobilen Hausbesuchspatienten impfen können. Jedoch sind diese Impfungen durch Vorgaben aus den aktuellen Erlässen noch einmal zeitaufwendiger.

HINDENBURGER: Wie sieht die aktuelle Versorgung / Belieferung mit Impfstoffen aus? Klappt diese zuverlässig? Wie sind die Mengen?

Stefan Aretz: Die ersten zwei Wochen wären wir regulär mit nur 18 Dosen Biontech-Impfstoff pro Arzt und Woche über die Apotheken versorgt worden. Bei mehrseitigen Prioisierungslisten in Gruppe 1- 3 und noch längeren Impfwilligenlisten ohne Priorisierung in unseren Gemeinschaftspraxen ist dies natürlich zu wenig. Glücklicherweise hatten die Hausarztpraxen in Mönchengladbach die Möglichkeit, zusätzlich ein Sonderkontingent des Astra-Zeneca Impfstoffs aus dem Impfzentrum zu erhalten. Somit konnten wir in den ersten zwei Impfwochen mit einem hohen Einsatz unseres gesamten Praxisteams schon über 600 Erstimpfungen durchführen. Dies ist zwar nur ein kleiner Baustein, um die Pandemie in den Griff zu bekommen, aber dennoch sei ein großes Dankeschön an dieser Stelle an unser Praxisteam erlaubt !

HINDENBURGER: Wo liegen die Kapazitätsgrenzen der Hausarztpraxen bei den Impfungen? Wieviele Patient*Innen könnten in der Praxis pro Woche durchgeimpft werden?

Stefan Aretz: Diese Menge an Impfungen pro Woche ist auf Dauer nicht durchführbar, auch wenn irgendwann genügend Impfstoff vorhanden ist. Realistisch sind vielleicht 20-40 Erst-Impfungen pro Arzt/pro Woche. Der logistische Aufwand mit Terminplanung, Aufbereitung des Impfstoffs, Haltbarkeit des Impfstoffs, ausführlicher Aufklärung des Patienten, Durchführung der Impfung, Nachbeobachtung über 15-30 Minuten und ganz wichtig auch die Planung der Zweitimpfung mit gleichen Abläufen benötigt extrem viele Ressourcen, die an anderer Stelle im normalen Praxisalltag aktuell fehlen.

HINDENBURGER: Bürokratie wird in vielen Interviews und Talkshows bemängelt. Wie sieht es da in der Realität aus? Gibt es eine zu große Dokumentationspflicht und ein zu großes Verwaltungsaufkommen?

Stefan Aretz: Im Vergleich zu den Abläufen im Impfzentrum wurde der bürokratische Aufwand für die COVID-Impfung glücklicherweise schon etwas vereinfacht, zumal wir „unsere Patienten“ impfen. Diese sind schon in unserem EDV-System eingepflegt und die Terminvereinbarung läuft persönlicher ab, als über eine Hotline. Dennoch ist es, wie man den oben geschriebenen Abläufen entnehmen kann, kein Vergleich zu einer Tetanusauffrischung oder einer Grippeimpfung.

HINDENBURGER: Was läuft Ihrer Meinung nach in der Pandemiebekämpfung gut und was weniger gut? Was könnte man optimieren?

Stefan Aretz: Hinterher ist man immer schlauer – so könnte man es ausdrücken. Die Medizin / Politik musste sich in den Vergangenen 16 Monaten fast wöchentlich mit neuen Situationen auseinandersetzen. Es mussten viele Entscheidungen getroffen werden. Manche waren richtig und manche vielleicht auch nicht. Hervorzuheben ist, dass wir 12 Monate nach Beginn einer uns bis dahin unbekannten Pandemie mit 3 Impfstoffen anfangen konnten, die Pandemie zu bekämpfen, weitere sind auf dem Weg zur Zulassung. Daher hoffe ich, dass wir die Pandemie durch diese Impfungen in den Griff bekommen und wieder in einem Alltag mit einem Stück weit mehr Normalität leben können.

HINDENBURGER: Schnellstmögliche Aufhebung der Impfpriorisierung – ja oder nein?

Stefan Aretz: Bei besserer Impfstoffversorgung ist in Kürze eine Aufhebung der Impfpriorisierung meines Erachtens sinnvoll und notwendig, um möglichst schnell eine breit gefächerte Immunisierung zu erreichen und um die vorhandenen Infrastrukturen (Impfzentren, Hausärzte, Betriebsärzte, Gynäkologen, Kinderärzte etc.) bestmöglich einzubinden.


Gemeinschaftspraxis Dr. Aretz + Partner

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