Marc Thiele
Wenn es einen Schuldigen für den Gurkenwahn in Gin und Tonics gibt, dann ist es wohl eindeutig Hendrick‘s Gin. Das mag wohl daran liegen, dass Gurkenessenzen eines der Botanicals sind, die bei der Produktion des Hendrick‘s Gin eingesetzt werden, und das Produktmarketing auf die Idee kam, die Gurke in den Fokus zu stellen und als USP zu nutzen. Macht nichts, Gurke passt ja auch perfekt als Garnish ins Glas, aber eben nur zum Hendrick‘s (und mittlerweile ein paar wenigen anderen Gins), aber nicht grundsätzlich in jeden Gin.
Heute gilt der Hendrick‘s Gin als Klassiker, oft in einem Atemzug genannt mit Bombay Sapphire oder Gordons Dry Gin, aber so ganz stimmt das nicht (auch wenn das Etikett auf der Flasche 1886 als Gründungsjahr angibt). Gin wird in der schottischen Girvan Brennerei nämlich erst seit dem Jahr 1999/2000 hergestellt. Bis 2018 blieb es - trotz Gin-Megatrend - auch bei nur dem einen Hendrick‘s Gin in der braunen Flasche, mit beigem Etikett. Ob es nun der nicht totzukriegende Ginboom, darauf basierend rein wirtschaftliche Gründe, oder tatsächlich das Interesse an Neuem war, sei jedem selbst überlassen einzuschätzen, jedoch lanciert Produzent William Grant & Sons seit 2018 jedes Jahr eine limitierte Sonderedition, basierend auf den Rezepten von Master Distillerin Lesley Gracie... dabei wird der „klassische“ Hendrick‘s Gin durch den Einsatz neuer, wechselnder Botanicals jedes Mal neu interpretiert und bringt entsprechend neue Geschmacksnoten und Aromen ins Glas... derzeit gibt es neben dem Original bereits vier weitere Sondereditionen...
Ein „Distilled Gin“ mit 11 Botanicals (u.a. Wacholderzapfen, Koriandersamen, Orange- und Zitronenschalen, Kamille, Pfeffer und Kümmel), dem nach der Destillation die Essenzen aus Rosen und Salatgurken hinzugefügt werden. Interessanter Weise kommt die so sehr mit diesem Gin verbundene Gurke weder in der Nase noch pur am Gaumen so richtig zur Geltung - es sind eher Zitrusnoten, ein wenig Wacholder und im Abgang etwas Pfeffer. Trotzdem passt die Gurke sehr gut als Garnish in den Gin und Tonic - am besten zusammen mit einem Dry Tonic oder gar dem Dr. Polidori Cucumber (wenn man die Gurke betonen möchte). In Cocktails macht er übrigens nicht unbedingt eine gute Figur, aber das ist Geschmacksache.
ab 22,90€/0,7l (32,71€/l)*
Bei der zweiten Sonderedition hat sich Brennmeisterin Lesley Gracie in ihrem „Cabinet of Curiosities“ der Sommersonnenwende angenommen und dabei auf Botanicals zurückgegriffen, die in der Botanik rund um die schottische Brennerei zu finden sind. Auch beim Midsummer Solstice ist der Brennvorgang identisch zum Original, nur in der anschließenden Infusion ergänzen diesmal geheimgehaltene Essenzen jene der Rose und Gurke des Originals. Die Aromatik ist auch bei dieser Neuinterpretation des Hendrick‘s Gins überraschend anders. Auf herb-würzig folgen lieblich-fruchtig und sogar etwas Süße. Neben dem Gin und Tonic (am besten mit 1724 Tonic) funktioniert der Midsummer Solstice auch in diversen Cocktails, wie dem Bramble und sogar dem Martini.
ab 32,33€/0,7l (46,19€/l)*
Der neueste Gin aus dem „Kuriositäten-Kabinett“ von Lesley Gracie ist laut Herstellerangaben von einer Reise der Brennmeisterin nach Südamerika inspiriert. Auch der Amazonia Gin basiert auf dem Hendrick‘s Originalrezept, aber das Ergebnis ist etwas vollkommen anderes. Konnte man bei allen anderen Gins der Sondereditionen irgendwo noch Spuren des Originals erschmecken oder erriechen, hat der Amazonia Gin rein gar nichts davon. Welche Botanicals auch immer hier verwendet wurden, das Ergebnis ist eine wahre Geschmacksexplosion. Man nehme einen exotischen Fruchtsalat, in dem mit Sicherheit viel Ananas enthalten ist, püriere und passiere diesen und infusioniere damit den klassischen Hendrick‘s Gin. So ähnlich muss man sich das Aromaprofil des Amazonia Gins vorstellen. Fruchtig sowohl in der Nase als auch am Gaumen. Er funktioniert im Gin und Tonic, z.B. mit Fever-Tree Indian aber auch Schweppes Dry Tonic, aber es ist sehr gut vorstellbar, ihn auch in Cocktails wie dem Singapore Sling oder Ananas Fizz zu verwenden.
ab 44,99€/l*
Der erste experimentelle Gin aus dem Rezeptbuch von Master Destillerin Lesley Gracie. Erschienen als limitierte Sonderedition, basiert auf den selben Botanicals wie der klassische Hendrick‘s Gin. Anstatt mit Rosen- und Gurkenessenz wird er aber mit den Pflanzenextrakten von Chinarinde, Wermutkraut und der blauen Lotusblüte aromatisiert. Geschmacklich ist der Hendrick‘s Orbium eher bitter, was durch die verwendeten Pflanzenextrakte unterstützt wird. Als passendes Tonic empfehlt sich hier ein Indian oder das Elderflower Tonic von Fever-Tree. Ob man auch hier die Gurke als Garnish verwendet, wie es Hendrick‘s empfiehlt, sei jedem selbst überlassen....
ab 33,25€/0,7l (47,50€/l)*
Viel erzählt Hendrick‘s diesmal nicht über seinen vierten Streich. Kryptisch heißt es nur, dass der Lunar „unter dem Einfluss des Mondlichts“ kreiert wurde... nun ja. Welche Botanicals diesmal ergänzend und infusionierend zum Einsatz kommen, ist geheim, ist aber auch egal, denn das Ergebnis ist stimmig. Florale Aromen dominieren den Geruch des neuen Gins. Pur, ohne Eis, ist er blumig-würzig und Dank seiner Milde sehr gut zu trinken. Mit Eis verliert er jedoch sehr an Komplexität - also besser pur genießen! Im Gin und Tonic funktioniert er ebenfalls - am besten mit einem Fever-Tree Indian Tonic - eine weitere Empfehlung aus dem Netz ist der Schweppes Premium Mixer Pink Pepper - aber das haben wir selber nicht getestet.
ab 49,90€/0,7l (71,29€/l).*
Entgegen dem klassischen Hendrick‘s Gin, der in 0,7l Abfüllungen im normalen Einzelhandel erhältlich ist, sind die Sondereditionen, wenn überhaupt stationär, meist nur in Spirituosengeschäften verfügbar. Die größten Chancen, die eine oder andere Sonderedition in Mönchengladbach zu bekommen, besteht wohl bei Edeka Endt, Trinkgut Kefenbaum, Dürselen (RY) und KULT+GENUSS (RY). Falls nicht und nur das Internet bleibt, empfehlen wir zuerst eine Preisrecherche über www.idealo.de.
* alle Preise inkl. USt., ggf. zzgl. Versandkosten