Karl Borland (Geschichtswerkstatt Mönchengladbach)
Als offizielles Kriegerdenkmal der Stadt Mönchengladbach sollte der „Löwe“ im Herbst 1932 fertiggestellt und eingeweiht sein. Die Einweihung des Löwen-Denkmals an der damaligen Hohenzollernstraße (damals gegenüber dem heutigen Mercure-Hotel) ließ aber bis Ende April 1933 auf sich warten und fand dann aufgrund der zwischenzeitlich stattgefundenen Nazi-Machtübernahme unter veränderten Rahmenbedingungen statt. Nicht die Honoratioren des Kreiskriegerverbandes Mönchengladbach (der das Denkmal gestiftet hatte) standen bei dieser Feier im Vordergrund, sondern die frisch zur Macht gekommenen Männer der lokalen NSDAP: SA- und SS-Männer sowie Parteigrößen. Und da der Löwe allein den gefallenen „Helden von 1914-18“ gewidmet war, gab es bald Unmut in Kreisen der lokalen Nazis. Die Unzufriedenheit mit dem Löwen machte sich in NSDAP-Kreisen daran fest, dass das Denkmal allein den gefallenen „feldgrauen Kameraden“ gewidmet war und nicht auch den braunen „Helden“ der Nazi-Partei aus der sogn. „Kampfzeit“ bis Anfang 1933. Die Würdigung der bei Straßenschlachten und Terroraktionen gegen politische Gegner zu Tode gekommenen SA-Männer und anderer Nazis war der NSDAP nach 1933 ein ganz wichtiges Anliegen, wozu sie keine Gelegenheit ausließ, in der sie z.B. das Horst-Wessel-Lied singen ließ. Also musste in Mönchengladbach ein weiteres Kriegerdenkmal her und diesmal mitsamt einer Würdigung für die feldgrauen und braunen Gefallenen.
Der Kreiskriegerverband Mönchengladbach stiftete auch dieses weitere Denkmal und befand als Vorlage für die Gestaltung dieses Denkmals das sogenannte „Schlageter-Hochkreuz“ auf der Golzheimer Heide in Düsseldorf für gut. Albert Leo Schlageter hatte als ehemaliger junger Weltkriegsoffizier und Freikorpskämpfer während der französisch-belgischen Ruhrbesatzung im Winter 1922/23 Sprengstoffanschläge auf Besatzungssoldaten und Eisenbahnanlagen verübt. Die französische Besatzung hatte ihn dafür inhaftiert, zum Tode verurteilen und im Mai 1923 auf der Golzheimer Heide hinrichten lassen. Da Schlageter der damals noch jungen NSDAP beigetreten war, wurde er von der Nazi-Partei als ihr Held und „erster Soldat des Dritten Reiches“ reklamiert und überdies im gesamten rechtsnationalistischen Lager Deutschlands groß gefeiert. Ausdruck des stark ins Kraut schießenden Schlageterkults war im Frühjahr 1931 die Errichtung des „Schlageter-Nationaldenkmals“ auf der Golzheimer Heide. Genau dieses Denkmal, mit gemauertem Sarkophag und dem sich daraus erhebenden Hochkreuz, welches sich Anfang der 1930er Jahre zu einer Wallfahrtsstätte der nationalen Rechten entwickelt hatte, wurde in Mönchengladbach also für geeignet empfunden, in verkleinerter Form für das auf dem städt. Hauptfriedhof neu zu errichtende Gefallenendenkmal Modell zu sein. Es stellte sich nur noch die Frage, mit welcher Widmung das Denkmal nun versehen werden sollte. Dieser Findungsprozess wird sich angesichts der Tatsache, dass sich im Kreise der Denkmalsstifter auch allerhand alte Herren aus Zentrums- und anderen nicht NS-Kreisen befanden, die mit der „jungen Bewegung“ – so sahen sich die Nazis selbst – lange nicht in allen Punkten einverstanden waren, nicht einfach gestaltet haben. Schließlich fand man eine Formulierung, die als Kompromissformel allen Interessen zumindest einigermaßen entgegen kam, indem sie das Gedenken für feldgraue und braune Helden in zwei Worten zusammenfasste: „Für alle“. Mit dieser Widmung wurde das Hochkreuz fast auf den Tag genau ein Jahr nach der Einweihung des Löwen feierlich eingeweiht und fortan gab es zwei offizielle Orte des Gefallenengedenkens in Mönchengladbach: Den Löwen für die Veteranen des Ersten Weltkrieges und das Hochkreuz für die sogn. junge Bewegung der NS-Anhängerschaft.
Im Stadtarchiv Mönchengladbach werden zahlreiche Fotos vom jährlichen „Heldengedenktag“ der Nazis am Hochkreuz aufbewahrt. Dort sehen wir den Aufmarsch der SA-, SS- und Wehrmachtsmänner sowie weiterer NS-Organisationen mit Ihren Fahnen am mit Kränzen geschmückten Hochkreuz. Angesichts der heute immer noch auf dem Denkmal prangenden Widmung „Für alle“ und die damit verbundenen Fragen nach deren Bedeutung, hat die Stadt Mönchengladbach vor ca. zwei Jahren eine Info-Tafel mit einem erklärenden Text auf dem Rasen vor dem Denkmal aufstellen lassen.
Zum Foto:
(Links) Das Hochkreuz von April 1934 auf dem städt. Hauptfriedhof mit Detailansicht der Widmung „Für alle“ (Fotos: Karl Borland)
(Rechts) Das Löwen-Denkmal aus dem Frühjahr 1933 auf dem Platz gegenüber dem heutigen Mercure-Hotel. Im Jahr 1960 wurde es abgebrochen und entfernt.
(Foto: Stadtarchiv Mönchengladbach)
Geschichtswerkstatt Mönchengladbach, vertreten durch Karl Borland und Hans Schürings, https://gladbacher-haus-der-erinnerung.de/geschichtswerkstatt