Marc Thiele
War es in den vergangenen Jahren noch der Überbegriff „Digitalisierung“, unter den die meisten Projekte und Initiativen gepackt und Fördermittel akquiriert wurden, ist es heute der Strukturwandel im Rheinischen Revier. Viele Vorhaben werden in den letzten Jahren unter diesem Rahmen zusammengefasst und durch dessen gut gefüllte Fördertöpfe finanziert. Allein vom Bund kommen 14,8 Milliarden Euro und vom Land NRW noch einmal weitere Mittel in Milliardenhöhe, um das Ende des hiesigen Braunkohletagebaus gesellschaftlich und wirtschaftlich abzufedern. Leider nicht alles für Mönchengladbach, aber der Anteil der Stadt am Fördertopf ist tatsächlich ziemlich groß.
Unter den geförderten Strukturwandelprojekten sind z.B. die Gründungsfabrik (GFMG), ehem. u.a. School of Entrepreneurship, sowie skillzUP ehem. Coding School, über die wir hier berichteten und auch der Wissens- und Innovationscampus, kurz WICMG, den wir Ihnen in diesem Artikel vorstellen möchten.
Wenn Politikerinnen und Politiker sich bei einem Projekt öffentlichkeitswirksam die Klinke in die Hand geben, für Fotos posieren und „starke Statements“ zur Bedeutung für den Standort und die Region abgeben, weiß man, es stehen entweder Wahlen an, die anderen Parteien waren auch schon da oder das Projekt ist wirklich von Bedeutung. Wir konzentrieren uns auf den dritten Punkt, denn das Projekt WICMG, der Wissenschafts- und Innovationscampus ist tatsächlich von großer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Mönchengladbach und den Strukturwandel in unserer Region aber, auch für die Stadtentwicklung selbst, was am gewählten Standort des Projektes – dem alten Polizeipräsidium auf der Theodor-Heuss-Straße – liegt.
Seit die Polizei im Jahr 2018 aus dem größtenteils denkmalgeschützen aber stark sanierungsbedürftigen Areal auf der Stadtgrenze zwischen Mönchengladbach und Rheydt in das neue Polizeipräsidium an der Krefelder Straße umzog, stand der markante Gebäudekomplex leer und verfiel allmählich - der Witterung und gelegentlich auch Vandalismus ausgesetzt. Auch bei Lost-Place-Fans weckte das Areal Interesse, damit ist nun jedoch Schluss.
Anfang 2022 kaufte die Stadt Mönchengladbach den Komplex vom Land NRW, um dort den Wissens- und Innovationscampus aufzubauen. „Das auf einen Gesamtwert von 3,9 Millionen Euro geschätzte Gelände wurde für „nur“ 1,3 Millionen Euro erworben. Dabei muss die Stadt jedoch das Altlastenrisiko tragen, was bedeutet, dass sie die Kosten für Gutachten und Sanierung übernehmen muss. Inwieweit eine Schadstoffbelastung, etwa durch Materialien wie Asbest und PCB- bzw. PAK-haltige Baustoffe vorliegt, wird noch gutachterlich geprüft.
Die erste Gefährdungsabschätzung aus dem Jahr 2021 gibt jedenfalls Anlass zur Zuversicht. “
Die Projektgesellschaft WICMG GmbH wurde bereits im November 2021 gegründet, doch die Fördermittel von Bund (90%) und Land (10%) in Höhe von etwa 8,9 Millionen Euro wurden erst im Juli 2023 bewilligt. Mit der Bestellung der Geschäftsführerin, Frau Eva-Maria Heiß, im Dezember 2023 nimmt das Projekt nun an Fahrt auf. Es tut sich viel, doch die Zeit drängt. Gemäß den Förderbedingungen muss die erste Projektphase innerhalb von vier Jahren, also bis 2027, und das gesamte Projekt bis 2033 abgeschlossen sein.
Mit den finanziellen Mitteln aus dem Fördertopf hat Geschäftsführerin Heiß innerhalb von wenigen Monaten ihr Projektteam aufgebaut. Derzeit ist nur noch eine von sieben Stellen unbesetzt. Zudem hat der im Jahr 2019 gegründete Verein „Wissenscampus Mönchengladbach e.V.“ das Nutzungskonzept für das Areal ausgearbeitet und leistet damit eine unverzichtbare Unterstützung für das Projekt. Es sieht die Ansiedlung von StartUps ebenso vor, wie die von Konzepten rund um die Themen Wissenschaft und Bildung. So sollen die jüngst erst in Rheydt angesiedelte Gründungsfabrik sowie die auf dem SMS-Meer-Gelände untergebrachte JuniorUni Mönchengladbach nach Fertigstellung des Campus dort eine neue Heimat finden. Auch Gastronomie- und Eventflächen sind eingeplant, um das Gelände auch für die breite Öffentlichkeit interessant und nutzbar zu machen.
Erste Gutachten und Untersuchungen zu den baulichen Gegebenheiten wurden bereits auf den Weg gebracht, ein Betreiberkonzept wird noch erarbeitet. Erste Zwischennutzungen, wie das junge Textilunternehmen TextureLab, konnten angesiedelt werden und wichtige Ausschreibungen - die Meisten davon aufgrund des Projektvolumens europaweit – werden sorgfältig geplant, darunter die für die übergeordnete Projektsteuerung und eines Generalunternehmers. Auch wurde ein Teil des durch roten Backstein geprägten, langen Bürotraktes, der entlang der Theodor-Heuss-Straße liegt, verkehrsfähig und nutzbar gemacht.
Die Büros wurden renoviert und mit Möbeln ausgestattet, auch Sanitäreinrichtungen wurden wieder hergestellt, so dass das WICMG-Team selber, aber auch die zur Zwischennutzung eingezogenen Mieter dort arbeiten können.
Welche Mammutaufgabe auf Eva-Maria Heiß und ihr Team zukommt, ist auf den ersten Blick gar nicht so ersichtlich. Von außen scheinen die meisten Gebäude relativ intakt zu sein. Schaut man jedoch genauer hin, fallen sogar dem Laien unzählige Problembereiche auf. So richtig erschließen sich die Dimensionen der notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen aber erst, wenn man sich in den Gebäuden, den Kellern und den Dachgeschossen bewegt. Über fünf Jahre Leerstand einer sowieso schon sanierungsbedürftigen Liegenschaft, die dem Verfall preisgegeben war, haben immense Spuren hinterlassen. Schimmel und verrottete Böden sind da nur ein geringer Teil.
Einbrüche in der Vergangenheit haben Spuren hinterlassen- ebenso wie kaputte Versorgungsleitungen, so dass immer noch nach Lecks, z.B. bei der Wasserversorgung, gesucht wird. Auch was die Energieversorgung des gesamten Geländes angeht, steht das Team von Frau Heiß vor großen Herausforderungen. Das alte Polizeipräsidium wurde während der Nutzung durch die Polizei über die gegenüberliegende Hochschule u.a. mit Gas mitversorgt. Aktuell wird der wieder belegte Teil des Verwaltungsgebäudes über eine eigentlich für die dortige Kantine genutzte Gasleitung versorgt. Ein Provisorium, bis es eine generelle Lösung für die Energieversorgung des Areals gibt. Angestrebt wird wohl eine Mischung aus Solar und Geothermie. Entsprechende Gutachten zur Tragfähigkeit der Dachkonstruktionen und Tiefenbohrungen sind in die Wege geleitet.
Um in die heiße Phase der weiteren Planungen einsteigen zu können, ist es auch erforderlich, das gesamte Areal zu vermessen. In Summe sind es etwa 35.000 m² mit unzähligen Hallen, Räumen, Kellern und Dachböden. Eine Größe, die bisher alle Dienstleister überforderte, denn bisher gab es zahlreiche Absagen. Ein neues, erst kürzlich eingegangenes Angebot rechnet mit einer reinen Arbeitszeit von mehr als 3 Monaten, wie uns Eva-Maria Heiß bei unserer Ortsbegehung erzählte. Bis 2027 haben sie und ihr Team nun Zeit, alles Erforderliche in die Wege zu leiten und umzusetzen, damit mit den eigentlichen Sanierungs-, Umbau- und Neubaumaßnahmen begonnen werden kann. Voraussetzung für diese zweite Stufe des Projektes Wissens- und Innovationscampus Mönchengladbach ist jedoch die Bewilligung einer zweiten Fördermitteltranche in einem Volumen zwischen 60 und 80 Millionen Euro. Aber auch dafür sehen die Vorzeichen gut aus, auch wenn die Beantragung erst in einigen Jahren erfolgen kann.
Wie das Gelände bei seiner Fertigstellung aussehen wird, steht natürlich noch nicht fest. Klar ist, die weitläufigen 1938/39 errichteten, denkmalgeschützten Bereiche bleiben erhalten und werden im Rahmen der Denkmalschutzvorschriften saniert, modernisiert und aufgewertet. Dazu zählen auch die Fahrzeughallen sowie die große Sporthalle. Der aus den 70er Jahren stammende Anbau neben der Einfahrt zu Schaffrath, der u.a. die Polizeiwache beheimatete, wird wohl abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Was mit dem Bürohochhaus auf dem Gelände passiert, ist noch umstritten. Eine Seite möchte es wegen seines Potenzials von etwa 3.000 m² Bürofläche sanieren und erhalten, andere möchten es abreißen und ebenfalls durch einen Neubau ersetzen. Erste Planungen sehen auch für die Rückseite, hin zur Südstraße, den Neubau eines Bürokomplexes vor.
Eines wurde während der aufschlussreichen Ortsbegehung und den dabei geführten Gesprächen mit Frau Heiß und ihrem Team deutlich: allen vor Ort aktiven Mitarbeitenden sind der Umfang aber auch die Bedeutung dieses Projektes sehr bewusst und alle stellen sich den anstehenden Aufgaben mit größtem Engagement und verzeichnen bereits sichtbare Erfolge.
Wir werden die Entwicklung des Wissens- und Innovationscampus Mönchengladbach gespannt verfolgen und Sie weiter auf dem Laufenden halten. Mehr Informationen finden Sie online unter: www.wicmg.de, www.instagram.com/wic_mg sowie www.facebook.com/wicmg