Marc Thiele
Der neue SMS Campus in Mönchengladbach, jüngstes Beispiel für Innovation und moderne Unternehmenskultur in Mönchengladbach, war am Freitag, den 08.11.2024 die perfekte Bühne für den 33. Karrieretag der Familienunternehmen.
Vertreter und Personalverantwortliche aus 50 deutschen Familienunternehmen auf der Suche nach Fach- und Führungskräften und 650 Bewerberinnen und Bewerber, die nach zuvor festgelegten Kriterien aus über 1.000 Bewerbenden ausgewählt wurden, trafen in der erst vor kurzem fertiggestellten Zentrale der SMS Group, einer international tätigen Unternehmensgruppe im Maschinen- und Anlagenbau für die Stahl- und Metallindustrie aufeinander.
Zweimal im Jahr richtet die Stiftung Familienunternehmen in Kooperation mit dem Entrepreneurs Club den „Karrieretag Familienunternehmen“ aus und bringt dabei deutsche Unternehmen mit jungen, internationalen Akademikerinnen und Akademikern, vorwiegend aus den MINT-Bereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zusammen. Mindestvoraussetzung für die Bewerbenden ist dabei ein erfolgreich abgeschlossener Bachelor oder ein zu erwartender, erfolgreicher Bachelorabschluss innerhalb der nächsten 6 Monate. Auch „Young Professionals“ mit Bachelor oder Master und maximal 5 Jahren, in Ausnahmefällen auch 10 Jahren, Berufserfahrung können sich um die Teilnahme am Karrieretag bewerben.
Auf Seiten der teilnehmenden Unternehmen, die sich aus den Mitgliedern der Stiftung Familienunternehmen und des Entrepreneurs Club rekrutieren, stehen 50 – 60 Plätze zur Verfügung. Diese werden nach dem „First Come, First Serve“-Prinzip (Wer zuerst kommt, malt zuerst) vergeben.
Der Bewerbungsprozess der Stellensuchenden hingegen ist in zwei Phasen eingeteilt. In der ersten Phase werden bis zu 650 Bewerbende ausgewählt, die perfekt auf die Kriterien der teilnehmenden Unternehmen passen. Aus diesem Bewerbenden-Pool erstellen die Veranstalter des Karrieretages sogenannte CV-Profile (Bewerberprofile) aus denen die teilnehmenden Unternehmen wiederum jeweils bis zu 30 Bewerbende auswählen können, die am besten zu ihren Anforderungen passen, um mit diesen individuelle Gespräche auf dem Karrieretag zu vereinbaren.
In der zweiten Phase kommen Bewerbende zum Zug, die ebenfalls hoch qualifiziert sind, jedoch nicht über den CV-Pool und das anschließende Matching direkt mit den teilnehmenden Unternehmen in Kontakt kommen. Hier sind dann vor Ort Neugierde, Engagement und Eigeninitiative der Bewerbenden gefragt.
Ein Veranstaltungskonzept zur Gewinnung von hochqualifiziertem Fach- und Führungskräftenachwuchs, das augenscheinlich funktioniert, denn der weitläufige SMS Campus wimmelte nur so von Teilnehmenden des Karrieretages. Überall sah man Bewerbende in konzentrierten Gesprächen mit Unternehmensvertretern oder im Austausch miteinander. Auf drei Etagen des kreisförmig aufgebauten Campuskomplexes waren alle am Rundweg liegenden Büros und Räume durch die teilnehmenden Unternehmen belegt und selbst in den in jedem Segment der Etagen verteilten Aufenthaltsbereichen wurden angeregte Gespräche geführt. Die oft zu vernehmenden und nicht zu überhörenden englischen Sprachfetzen zeigten die Internationalität der teilnehmenden Bewerbenden.
Vielfältig waren auch die Branchen der anwesenden deutschen Familienunternehmen. Von komplexem Maschinen- und Anlagenbau über Sicherheitstechnik, Elektrotechnik, Logistik und FMCGs bis hin zu Mode und Handwerk, um nur einige zu nennen, war fast jeder Wirtschaftsbereich vertreten. Darunter auch Kultmarken wie Jägermeister und HARIBO. Auch Unternehmen aus Mönchengladbach präsentierten sich vor Ort als attraktive Arbeitgeber. Neben dem Gastgeber SMS Group waren ALBERTO (Mode), die Heinrich Schmidt Gruppe (Fachhandwerksgroßhandel) sowie die H. Janssen & Co. KG (Großhandel Dachdeckerbedarf) als lokale Unternehmen vor Ort.
Im Gespräch mit einigen Unternehmensvetretern und Bewerbenden zeigte sich ebenfalls deutlich, dass dieses Veranstaltungsformat genau das erreicht, was es soll. Die laut Aussage unserer Gesprächspartner sehr gute Vorauswahl der Bewerbenden und die anschließenden Matchings der Unternehmen sorgen wohl für eine im normalen Bewerbungsprozess kaum gekannte Effizienz und tatsächlich eine hohe Zahl erfolgreicher Vertragsabschlüsse. Letzteres bestätigten auch die Veranstalter und nannten Zahlen von 150 – 250 Vertragsabschlüssen je Veranstaltung.
In Zeiten des Fachkräftemangels und des steigenden Selbstbewusstseins des jungen Fach- und Führungskräftenachwuchses, mit seinen veränderten Anforderungen an den Arbeitsmarkt, scheint ein solches Veranstaltungsformat ein sehr guter Weg zu sein, passende neue Mitarbeitende zu finden. Selbst dann, wenn Unternehmen in Einzelfällen zu Maßnahmen greifen, um sich im Wettkampf der Attraktivität durchzusetzen, die für uns als Beobachter anfänglich schwer nachzuvollziehen sind. Die Zahlung einer Prämie bei Vertragsabschluss etwa. Auf Nachfrage konnte aber auch diese nachvollziehbar begründet werden, denn die ausschreibenden Unternehmen hatten ihre Firmensitze an nicht unbedingt als attraktiv zu bezeichnenden Standorten und sahen eine Vertragsabschlussprämie von ein paar tausend Euro als so etwas wie einen Wettbewerbsausgleich. Wie sagte doch einer der Unternehmensvertreter: „Versuchen Sie doch mal einen jungen Ingenieur nur mit ihrem guten Ruf, einem tollen Teamspirit und einem Obstkorb an den Arsch der Welt zu kriegen“. Trotzdem sehen wir diese Prämien kritisch, denn am Ende könnte es darauf hinauslaufen, dass sich Unternehmen gegenseitig im Wettbewerb um Bewerber auch finanziell überbieten und finanzstarke Konzerne, kleinere, nicht ganz so finanzstarke Unternehmen ausstechen. Kein guter Ansatz in Zeiten, in denen vermeintliche Social-Media-Experten und HR-Influencer der jungen Nachwuchsgeneration einflüstern, welche Druckmittel ihnen bei der Jobsuche zur Verfügung stehen.
Ein interessanter Aspekt, vor allem mit Blick auf die Internationalität der Veranstaltung. Neben Bewerbenden aus Deutschland waren auch viele aus anderen Ländern vor Ort. Indien und Asien eingeschlossen. Stehen bei Letzteren eigentlich mittlerweile auch die Work-Life-Balance, Homeofficemöglichkeit und die Anzahl der Benefits im Vordergrund oder sind es immer noch wie früher die Karrierechancen sowie persönliche Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten?
Eine Frage, die nur sehr zögerlich beantwortet wurde, denn keiner der Personalverantwortlichen wollte hier vermutlich in ein potenzielles Fettnäpfchen treten. Zwar stimme es wohl, dass die ausländischen Bewerbenden, vor allem aus Indien und Asien oftmals motivierter und lerneifriger seien als die deutschen oder europäischen und Letztere hätten mittlerweile tatsächlich oft andere Prioritäten bei ihrer Jobwahl, seien dafür aber auch besser ausgebildet als ihre außereuropäischen Mitbewerbenden. Beides habe seine Vor- und Nachteile, weshalb niemand unserer Gesprächspartner von einem Konkurrenzkampf oder einer Bevorzugung dieser oder jener Bewerbenden sprechen wollte.
Am Ende ist es wohl auch unwichtig, denn der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass unsere Wirtschaft ohne hochqualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern nicht auskommt. Daher verwundert die Forderung vieler unserer Gesprächspartner an die deutsche und europäische Politik nicht, hier schnell eine nachhaltige und umsetzbare Lösung zu finden.
Auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland war für die meisten Unternehmensvertreter mit denen wir sprachen ein wichtiges Argument bei der Gewinnung von ausländischen Fachkräften. So verwundert deren Forderung, dass die Politik schnellstmöglich die aktuelle Krisensituation beenden und zu geregelten, verlässlichen Zuständen zurückkehren muss, nicht wirklich.