Jenny steht hinter einem Tisch auf dem verschiedene Produkte aus ihrem Onlineshop stehen Jenny steht hinter einem Tisch auf dem verschiedene Produkte aus ihrem Onlineshop stehen
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01.03.2022
Stadtleben

Von der Gartenliebhaberin zur Selbstversorgerin

Redaktion: Jessica Sindermann

Viele von Ihnen haben sicher einen eigenen Garten, in dem Sie regelmäßig Zeit verbringen mit dem Pflanzen, Umgraben und Umgestalten der Beete, der Rasenpflege oder dem Jäten von lästigem Unkraut. Und vielleicht haben auch Sie – genau wie ich – schon einmal probiert, Kräuter oder Gemüse anzupflanzen und sind, ebenfalls wie ich, kläglich daran gescheitert. Kurze Zeit nachdem ich das kleine Pflänzchen voller Enthusiasmus in die Erde gesetzt hatte, verabschiedete es sich meist auch schon wieder und hinterließ einen verkümmerten Stängel. Richtiger Anbau mag also gelernt sein! Damit das in diesem Jahr endlich gelingt, treffe ich die Selbstversorgerin Jen Slupkowski zum Interview.

Auf ihrem Grundstück in Lürrip machen die 40-Jährige Mönchengladbacherin und ihr Mann Rafael nämlich seit vielen Jahren genau das, wovon viele träumen: Sie ziehen nicht nur Kräuter und Blumen, sondern auch jede Menge frisches Obst und Gemüse selber, sodass die Familie das ganze Jahr über aus dem eigenen Garten leben kann. Daher sind sie inzwischen richtige Experten, wenn es um die optimale Pflege, die Anzucht und die Erde von Obst, Gemüse und Kräutern geht! Ihr Wissen teilen die beiden in YouTube-Videos und auf ihrer Homepage www.gartengemüsekiosk.de, über deren dazugehörigen Online-Shop es auch biologisches Saatgut, einen jährlichen Biosaatgutkalender und sogar ein eigenes Kochbuch zu kaufen gibt! Ob sie mir wohl ihr Lieblingsrezept mit Zutaten aus dem eigenen Anbau im Interview verraten wird?

HINDENBURGER: Sie leben als Selbstversorger. Erzähl Sie gerne etwas darüber.

Jen Slupkowski: Selbstversorgung ist ja im Grunde genommen kein festgeschriebener Begriff, sondern bedeutet lediglich, dass ich mich mit etwas „selbst versorge“. Ob das eben mit Energie ist oder mit Obst und Gemüse, kann individuell variieren. Ich gehe natürlich noch einkaufen, aber Salat, Gurken oder Tomaten habe ich seit Jahren nicht mehr im Supermarkt eingekauft. Das sind Lebensmittel, die ich frisch aus unserem Garten ernte. Wir versuchen, uns möglichst oft und möglichst lange im Jahr mit frischem Grün aus unserem eigenen Garten versorgen zu können. Daher arbeiten wir mit der versetzten Ernte. Das bedeutet, dass wir so ein Beet im Jahr bis zu viermal beernten können. Wir bauen Gemüse nach einem System immer wieder neu an. Nach der Ernte ist also quasi gleichzeitig auch vor der Ernte! Es kommt ja auch immer auf die Bedingungen der entsprechenden Sorte an. Kürbisse oder Tomaten brauchen beispielsweise einen sehr nährstoffhaltigen Boden, während ein Salat in diesem Boden unter einem Nitratüberschuss leiden und eingehen würde.

HINDENBURGER: Thema Selbstversorgung – Wie kam es dazu? Und wann?

Jen Slupkowski: Mein Mann und ich hatten eigentlich schon immer eine Affinität für Garten. Mein Opa hatte früher einen Garten, von dem er immer viel erzählt hat und so kam es, dass ich schon als kleines Mädchen auf dem Balkon unserer Hochhauswohnung Kartoffeln pflanzen und Hühner halten wollte. Meine Eltern waren damals aber eher weniger begeistert von dieser Idee. (lacht) Der Bezug zur Natur, zum Bauernhof und zu Tieren war bei mir einfach immer schon sehr stark ausgeprägt und auch der Traum, irgendwann einmal einen eigenen Hof zu besitzen. Ich glaube, jeder Mensch hat eine persönliche Lebensidee in sich und es ist die Kunst, sich daran zu erinnern und sie wiederzuentdecken. Und das war eben meine. Seit 2009 pflanzen mein Mann und ich nun schon gemeinsam.

HINDENBURGER: Was fasziniert Sie daran? Warum machen Sie das?

Jen Slupkowski: Es ist einfach toll zu sehen, was man selbst machen kann. Außerdem lieben wir den Bezug zur Natur. Wenn wir in der Erde buddeln, tut das uns Menschen einfach gut. Es ist gleichzeitig eine gewisse Form des „Erdens“, wenn wir damit in Berührung kommen. Für mich ist das auch eine Art Yoga. Man kann sehen, was aus einem kleinen Saatkorn wird, wenn die richtigen Bedingungen dafür geschaffen werden – und das ist wirklich sehr faszinierend! Hier wachsen Paprika, Artischocken und sogar Physalis. Wir denken immer, diese Lebensmittel müssten aus anderen Ländern importiert werden… das ist aber absoluter Quatsch! Wir pflegen einen gesunden Boden, daher haben wir diese reiche Ernte. Konzentriere ich mich lediglich auf die Pflanze und das Düngen, wird es nicht funktionieren. Ich muss den Boden als Lebenswelt betrachten und ebenso pflegen. So kann dann auch wieder eine vitale Pflanze nachwachsen!

HINDENBURGER: Was ist Ihr Lieblingsrezept mit Zutaten aus dem Eigenanbau?

Jen Slupkowski: Puh… das kann ich ehrlich gesagt gar nicht so genau sagen. Ich esse wirklich alles an Gemüse gerne und freue mich über jede Jahreszeit und deren Erträge. Alles was ich frisch aus dem Garten ernten und zubereiten kann, gehört zu meinen Lieblingsrezepten! Allerdings überzeugen wir unsere Gäste mit dem Geschmack unseres ökologisch angebauten Brokkolis und Rosenkohls in der Regel besonders. Es gibt keinen bitteren Nachgeschmack, wie viele das sonst von Rosenkohl kennen. Der wird in der Regel nur durch Kunstdünger verursacht.

HINDENBURGER: Sie haben inzwischen auch einen Onlineshop und dazugehörigen YouTube-Kanal. Was hat es damit auf sich?

Jen Slupkowski: Unseren YouTube-Kanal, der langsam und stetig wie ein Baum gewachsen ist, gibt es tatsächlich schon seit 2013. Im Laufe der Jahre haben wir als Selbstversorger viele Erfahrungen sammeln können und teilen diese dort inzwischen mit 150.000 Abonnenten. Jede Woche Sonntag uploaden wir ein neues Video, in dem es rund um das Thema Garten/ Aussaat geht – biologisches Saatgut, versetzte Ernte, Mischkulturen, Fruchtfolgen und effektive Mikroorganismen. Wir zeigen in unseren Videos werbefrei und kinderfreundlich, wie bestimmtes Saatgut erfolgreich keimen, wachsen und dann auch geerntet werden kann. Unser Ziel ist, die Menschen zu motivieren, selber etwas anzubauen. Und selbst wenn es nur ein Blumenkasten, die erste Tomate oder zwei Bohnenstangen sind, die das Kind auf der Terrasse pflegt. Einfach damit anzufangen und sich zu trauen, das zählt! Wir sind keine gelernten Gärtner, die professionelle Anleitungen geben, sondern wir versuchen so einfach wie möglich zu zeigen, wie wir es machen und wie es bei uns seit vielen Jahren gelingt!

Mit dem Onlinekiosk haben wir 2016 langsam gestartet. Angefangen hat alles eigentlich damit, dass wir uns irgendwann dachten, wir legen einfach mal eine Aussaatbox an und erstellen einen Kalender mit schönen Fotos. (Die Fotos haben wir von Anfang an übrigens auch alle selber gemacht!) Im Laufe der Zeit ist der Shop dann durch den Support der Menschen immer weitergewachsen. Dafür sind wir wirklich sehr dankbar.

HINDENBURGER: Welche Produkte kann man dort erwerben?

Jen Slupkowski: Wir verkaufen unser eigenes Saatgut, verschiedene Saatgutkalender, handgemachte Aufbewahrungsboxen, ein paar Gartenwerkzeuge und auch einige Produkte, die wir selber verwenden. Beispielsweise effektive Mikroorganismen und Bodenpflege. Inzwischen gibt es im Shop sogar unser eigenes Kochbuch. Wir stehen zu 100% hinter den Händlern, von denen wir Produkte beziehen und achten darauf, dass diese auch lokal sind. Und es gibt auch vieles, das wir auf unserer Internetseite umsonst anbieten: Rezepte, ausdruckbare Etiketten, Geschichten für Kinder und sogar ein Malbuch.

HINDENBURGER: Welche Tipps haben Sie für Anfänger, die in diesem Jahr beginnen wollen ihr erstes eigenes Gemüse und Obst anzubauen?

Jen Slupkowski: Als Erstes ist es immer sinnvoll, sich den eigenen Garten einmal aufzuzeichnen und zu schauen, wo die sonnigsten Bereiche sind. Denn in der Sonne oder im Halbschatten wachsen Obst und Gemüse am besten. Danach muss ich mir natürlich überlegen, was ich überhaupt anbauen möchte und das am besten einmal auflisten. Dabei gilt es natürlich zu beachten, wie viel Platz der eigene Garten überhaupt bietet. Tomaten brauchen zum Beispiel nicht unbedingt ein großes Gewächshaus, aber zumindest einen Überstand. Also eine Art Schutz, der sie vor Niederschlägen bewahrt. Aber es gibt natürlich auch Freilandtomaten.

Das soll heißen: Wähle die richtige Sorte aus, die zu den Bedingungen der Jahreszeit und deines Gartens passt. UND: Weniger ist am Anfang mehr! Taste dich langsam an verschiedene Sorten heran. Noch ein guter Tipp für eine reichere Ernte ist, Blumen und Kräuter dazwischen zu setzen Dadurch werden Insekten angezogen und die Ernte erhöht. Und natürlich ist auch die Bodenpflege wichtig. Wir arbeiten hauptsächlich mit Mulch, Kompost, Urgesteinsmehl Bokashi und effektiven Mikroorganismen und raten wirklich dringend von Hornspänen und auch Blaukorn ab!

Die einfachsten Sorten für den Anfang sind Mangold, Zucchini, Bohnen, kleinfruchtige Tomaten, Gurken und verschiedene Salate. Das Wenige, was es dabei zu beachten gibt, erklären wir auch in den Videos auf unserer Homepage. Der optimale Zeitpunkt, um zu starten, ist so ab März, würde ich sagen. Zumindest sollte man dann schon mal einen groben Plan haben.

HINDENBURGER: Liebe Frau Slupkowski, herzlichen Dank für die tollen Tipps und spannenden Einblicke in Ihr Leben als Selbstversorgerin! Damit steht einer erfolgreichen Ernte 2022 eigentlich nichts mehr im Wege und vielleicht gelingen auch meine Gemüse-Pflänzchen dann in diesem Jahr endlich. Bis dahin stöbere ich einfach noch ein wenig im Gartengemüsekiosk und lasse mich dort inspirieren!

Weitere Informationen unter: www.gartengemüsekiosk.de