3 Fotos von Gebäuden in Rheydt 3 Fotos von Gebäuden in Rheydt
Foto: © Jessica Sindermann
01.09.2022
Stadtleben

Willkommen in Rheydt!

Im Gespräch mit Quartiersmanager Markus Offermann

Redaktion: Jessica Sindermann

Rheydt – Gerne erinnere ich mich zurück an meine Schulzeit, mit der ich auch die Rheydter Innenstadt verbinde. Dort bummelte ich das erste Mal mit meiner Freundin alleine durch die Fußgängerzone, kaufte mir auf der Hauptstraße von meinem Taschengeld eine Kugel Eis für gerade einmal 60 Cent und verpasste so manches Mal den Schulbus nach Hause, weil ich mir Ketten in der Auslage bei Bijou Brigitte ansah oder mal wieder eine Klassenkameradin traf. Rheydt war immer schon ein Ort der Begegnung. Ob im Cafè, auf dem Wochenmarkt oder in der Fußgängerzone. Das ist die Stadt auch heute noch, allerdings hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Was zeichnet die Stadt heute eigentlich aus? Was hat sich seitdem getan? Welche Visionen gibt es für Rheydt?

Markus Offermann ist seit 2014 Quartiersmanager von Rheydt und hat es sich mit seinem Team vom Quartiersmanagement zur Aufgabe gemacht, über die Entwicklungen im Quartier zu informieren, Anwohner*innen zu beteiligen und ihre Ideen und Anliegen aufzunehmen. Im Interview spricht er mit mir über die Stadt und ihre Entwicklungen, über vergangene und kommende Projekte und über Ziele!

HINDENBURGER: Erzählen Sie gerne etwas über den aktuellen „Status“ von Rheydt.

Markus Offermann: Wir gehen in solchen Fragen immer davon aus, dass Rheydt homogen ist, obwohl dies nicht der Fall ist. Rheydt ist eigentlich sehr verschieden und hat sich von einer vor 47 Jahren eigenen Stadt mit einem riesigen Einzugsgebiet und überregionaler Versorgungsstruktur mittlerweile zu einem Stadtteil entwickelt, der seine eigene Bedeutung in der Gesamtstadt hat und der seine Einzelhandelsangebote auf die Versorgung der Bedarfe der umliegenden Quartiere und seiner Bewohner angepasst hat.

Rheydt ist auch ein Wohnquartier mit bezahlbarem Wohnraum und vielfältiger Bewohnerschaft. Die Bevölkerungsstruktur hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert, was sich neben der Einzelhandelsvielfalt auch in der kulturellen Vielfalt im öffentlichen Raum widerspiegelt. Rheydt ist heute einer der kulturell diversesten Stadtteile der Stadt. Auch die Aufenthaltsqualitäten, die Rheydt inzwischen durch den Marktplatz und die Umbauten verschiedener Straßen und Plätze bietet und mit dem reichhaltigen gastronomischen Angebot und dem Wochenmarkt machen Rheydt für mich zu einem attraktiven Ort.

HINDENBURGER: Ist der Leerstand noch ein gravierendes Thema?

Markus Offermann: Betrachten wir Rheydt als Ganzes, können wir sagen, dass es dort tatsächlich immer weniger Leerstand gibt. In der Betrachtung sind allerdings die ganz großen Flächen raus, Die Rheydt Galerie wird nach aufwendigen Sanierungsarbeiten als „To Huus“ wieder öffnen und das Karstadtgebäude wird dem Rathausneubau dienen, ebenso wie einige leerstehende Gebäude in der Umgebung, die aufgrund dessen entmietet wurden. Wenn wir all diese Dinge außen vorlassen, haben wir eine relativ geringe Quote an Leerstand, die nicht besser und nicht schlechter ist als in anderen Städten auch. Immerhin reden wir hier ja auch von einem Stadtteil. Viele Menschen sehen nur die Hauptstraße mit ihren Ladenlokalen als DIE Einkaufsstraße, was sie allerdings schon seit 15 Jahren nicht mehr ist. Betrachtet man aber auch die Stresemannstraße, Hauptstraße, Bahnhofstraße, Harmoniestraße, Odenkirchenerstraße etc., verzeichnet Rheydt über 400 Ladenlokale.Und ich freue mich dass es in den letzten Monaten zu vielen Neueröffnungen gekommen ist.

In Rheydt ist es wie in ganz Deutschland so, dass wir inzwischen eine viel zu hohe Einzelhandelsfläche bei sinkenden Umsätzen und verändertem Kaufverhalten haben, jedoch werden nach wie vor immer mehr Gewerbeflächen gebaut. Das Resultat daraus ist, dass die Kaufkräfte dann leider häufig aus den Innenstädten wegziehen.

HINDENBURGER: Rheydt als Einkaufsstadt - Gibt es da noch Potenzial? Es gibt ja viele Stimmen die sagen, dass dieses Kapitel definitiv der Vergangenheit angehört.

Markus Offermann: Wir haben in der Vergangenheit in der Betrachtung der Zentren Fehler gemacht.. Die gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen wurden hier lange Zeit nicht der allgemeinen Entwicklung zu geschrieben, sondern der Konkurrenzsituation der Zentren.

Wir können nicht sagen, dass Rheydt eine reine Einkaufsstadt ist. Eine Innenstadt auf Handel zu begrenzen ist generell nicht richtig, sondern die Multifunktionalität muss betrachtet werden, die die Stadt bietet. Die vielen unterschiedlichen Bedarfsangebote, was Dienstleistungen, Ärzte, Kulturvereine, Soziale Institutionen etc. angeht. Zudem ist Rheydt ein wichtiger Verwaltungsstandort, der auch für umliegende Stadtteile eine hohe Bedeutung hat.

HINDENBURGER: Was macht Rheydt Ihrer Meinung nach attraktiv?

Markus Offermann: Definitiv die Vielfalt und das bürgerschaftliche Engagement: Gerade in Rheydt hat man in den vergangenen Jahren gesehen, wie stark bürgerschaftliches Engagement die Entwicklung positiv mitgestalten kann. Es gibt so viele Akteursgruppen, die wirklich sichtbare und positive Veränderungen initiiert haben. Hier nur einige Beispiele: Hey!Rheydt, die Rollbrett Union, die Initiative „Rheydt lebt“, die soziokulturellen Vereine KaRhe im Rheer Eck, der TKV im Chapeau Kultur und Matching Generation mit dem Zwischenraum. Rheydt ist ein sehr lebendiger Stadtteil mit vielen wunderbaren Menschen, die Ihren Stadtteil prägen wollen. Dann ist Rheydt ein Stadtteil „der kurzen Wege“. Sowohl zwischen Menschen, als auch zu Fuß. Ich parke irgendwo und kann zu Fuß gleich alles besorgen, was ich brauche. Wir müssen uns von dem, wie es mal war, trennen und wertschätzen, was Rheydt hat… und Rheydt hat viele Qualitäten. Ob im menschlichen, ökonomischen, kulturellen oder städtebaulichen Sinne.

HINDENBURGER: Wie ist die Resonanz auf die bisherigen Aktionen?

Markus Offermann: Die Resonanzen sind auf jeden Fall immer groß und positiv! Wir haben unsere Arbeit in den letzten Jahren ein wenig verändert. Uns ist wichtig nachhaltig zu arbeiten und die Institutionen und Akteure durch Aktionen zusammen zu bringen und zu stärken. Es zu ermöglichen selber aktiv werden zu können.

So war zum Beispiel das Breakdance Event im letzten Jahr ein großer Erfolg, der nachhaltig wirkt, weil daraus wöchentlich stattfindende Workshops mit Kindern und Jugendlichen resultiert sind. Aus den Aktivitäten im Chapeau Kultur sind außerdem mehrere soziokulturelle Vereine entstanden, die jeweils ihre eigenen Angebote machen. Das Zuckerfest im Mai auf dem Harmonieplatz hat dazu geführt, dass sich viele Vereine gemeldet haben, die bei einem nächsten Fest dabei sein wollen.

Aus der Imagekampagne „Rheydt lebt!“ im Jahr 2020 sind inzwischen ein Initiativkreis und das Gastronetzwerk entstanden, die nun verschiedene Veranstaltungen hier in der Stadt durchgeführt haben, wie beispielsweise die Flohmärkte, das Bechern für Rheydt und die Spotlight Shopping Abende. Man merkt, das richtig was los ist und die Menschen Lust haben sich selbst einzusetzen.

HINDENBURGER: Welche Aktionen sind denn da in Planung?

Markus Offermann: Diesen Monat finden zum Beispiel der Blumensonntag, die Kulturnacht und das interkulturelle Straßenfest mit dem Familientag der Stadt Mönchengladbach statt. Alle sagen immer „in Rheydt ist nichts los“, ich sehe das vollkommen anders.

HINDENBURGER: Was sind Ihre Ziele/Visionen für die Rheydter Innenstadt?

Markus Offermann: Wenn wir Rheydt als das betrachten, was es ist, also als ein Wohngebiet mit vielfältigem Handel und Dienstleistungen, was zudem ein unglaublich hohes soziokulturelles bzw. kulturelles Angebot besitzt und wir das auch wertschätzen können, wären wir schon einen großen Schritt weiter! Aber natürlich gehört auch das Pflegen dieser Stadt zu dieser Wertschätzung dazu. Wir sind alle Rheydt und müssen es pflegen, sauber halten und beleben. Nur gemeinsam können wir für ein schönes, lebendiges Rheydt stehen!

HINDENBURGER: Wann sind Sie das letzte Mal über den Wochenmarkt auf dem Rheydter Marktplatz geschlendert oder haben sich dort zum Eisessen mit Freunden verabredet? Oder haben einen Nachmittag im neu gestalteten Theaterpark gemeinsam mit Ihren Kindern verbracht und abends einen Theaterabend genossen? Rheydt hat doch weitaus mehr zu bieten als wir häufig denken. Vielleicht sollten wir öfter mal die Blickrichtung ändern auf das, was die Stadt alles zu bieten hat. Lieber Herr Offermann, herzlichen Dank für die interessanten Antworten rund um unsere Stadt und den Impuls, einfach mal den Fokus zu verändern!