Alle Schauspieler*innen des Jungen Theaters stehen vor einem Gebäude Alle Schauspieler*innen des Jungen Theaters stehen vor einem Gebäude
Foto: © Matthias Stutte
01.02.2022
Theater

Auf NEUEN Wegen mit dem „Jungen Theater“

Schauspieler Raafat Daboul im Interview

Redaktion: Jessica Sindermann

Seit Herbst 2019 gibt es am Theater Krefeld und Mönchengladbach im Rahmen des Programms NEUE WEGE ein besonderes Projekt, das gefördert wird vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und dem NRW KULTUR Sekretariat: zwölf junge Talente aus verschiedenen Sparten gehen gemeinsam auf eine künstlerische Entdeckungstour. Neben Einzeltrainings, wie dem Deutschunterricht, Gesangsunterricht und der Sprecherziehung, können die Künstler*innen außerdem an Workshops und Informationsveranstaltungen teilnehmen und stellen spartenübergreifend gemeinsame Projekte auf die Beine. Auch der 29-Jährige Schauspieler Raafat Daboul, der 2015 aus politischen Gründen sein Heimatland Syrien verließ und nach Deutschland kam, ist seit der Spielzeit 2019/2020 ein fester Teil des Jungen Theaters und auch des Schauspielensembles. Im Interview spricht er über das Konzept, seinen persönlichen Weg ans Theater Krefeld und Mönchengladbach und besondere Erlebnisse in seiner bisherigen Schauspielkarriere.

HINDENBURGER: Erzählen Sie doch bitte etwas über das Junge Theater, Herr Daboul.

Raafat Daboul: Das Junge Theater ermöglicht jungen Künstler*innen, die ihre Schauspielausbildung gerade absolviert haben, einen Einstieg ins Berufsleben am Theater. Gefördert wird das Ganze vom Land NRW. Wir sind insgesamt zwölf Mitglieder aus den unterschiedlichen Sparten: fünf aus dem Musiktheater, zwei Tänzerinnen, vier Orchestermusiker und ich aus dem Bereich des Schauspiels. Neben vielen künstlerischen Produktionen konnten wir im Rahmen des Förderprogramms viele verschiedene Weiterbildungsangebote in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Gesangsunterricht, Tanzkurse, Sprecherziehung und sogar Yoga!

HINDENBURGER: Seit wann sind Sie selbst Mitglied? Wie kam es dazu?

Raafat Daboul: Inzwischen bin ich fast drei Jahre Teil des jungen Ensembles und bevor ich nach Krefeld kam, habe ich im Theater Dortmund gearbeitet. Als mein Vertrag zu Ende ging, habe ich durch einen Kollegen dort erfahren, dass beim Theater Krefeld und Mönchengladbach eine Stelle für das Junge Theater ausgeschrieben ist. Ich habe mich zuerst über das Projekt informiert und fand, dass es wirklich interessant klang. Also habe ich mich beworben und wurde mit einigen anderen Schauspieler*innen zum Vorsprechen eingeladen. Einige Wochen später bekam ich dann die Zusage. Einerseits war ich sehr glücklich und habe mich natürlich gefreut, andererseits fiel mir die Entscheidung, nach Krefeld zu gehen und meinen Freundeskreis und das gewohnte Umfeld in Dortmund zurückzulassen, anfangs sehr schwer. Ich brauchte erstmal ein paar Tage Bedenkzeit, um mir darüber klar zu werden, ob ich mich für diesen Schritt wirklich bereit fühlte. Manchmal braucht man einfach etwas Zeit, um Entscheidungen zu treffen und heute bin ich mehr als zufrieden mit meiner. Wenn man immer auf der Stelle geht, kann es auch keine Weiterentwicklung geben, denke ich. Man muss immer den Schritt nach vorne wagen. Ich habe tolle Erfahrungen gesammelt in den fast drei Jahren hier am Theater Krefeld und Mönchengladbach, unter anderem mit meinem Solostück „DRECK!“ und wurde damit sogar zum Theaterfestival nach Luxemburg und schließlich nach Kiel eingeladen. Ich kann dieses Projekt wirklich nur weiterempfehlen!

HINDENBURGER: Was gefällt Ihnen besonders an diesem Projekt?

Raafat Daboul: Ich finde es einfach super interessant zu sehen, wie die anderen Kolleg*innen in ihren Bereichen arbeiten. Wie sie singen, tanzen, ihre Instrumente spielen und sich vorbereiten auf ihre Performances. Neulich habe ich eine der Sängerinnen gefragt, ob sie morgens aufsteht und gleich perfekt lossingen kann oder zuvor erstmal ihre Stimme aufwärmen muss, so wie es bei uns Schauspielern ist. (lacht) Mich interessieren einfach auch die anderen Bereiche sehr und dieses Projekt gibt mir wirklich die Möglichkeit dazu, andere Arbeitsprozesse kennenzulernen, Details zu erfahren und an gemeinsamen Produktionen zu arbeiten. Wir haben auch regelmäßige Ensembletreffen, bei denen wir uns austauschen. Und wenn zwischen unseren Proben mal etwas Zeit übrigbleibt, gehen wir gerne mal den ein oder anderen Kaffee gemeinsam trinken. Sich auszutauschen tut einfach gut und man erfährt immer wieder etwas Neues.

HINDENBURGER: Was sind/waren die schönsten Erlebnisse in Ihrer bisherigen Laufbahn?

Raafat Daboul: Die gesamte Erfahrung, die ich in der Zeit hier gesammelt habe mit dem Jungen Theater war einfach von A bis Z ein schönes Erlebnis. Aber natürlich war speziell das Monodrama „DRECK!“ von Robert Schneider sehr besonders für mich. Es war mein erstes Stück am Theater Krefeld und Mönchengladbach und ich habe damit auch an einigen Schulen hier in Mönchengladbach gastiert. Und damit dann noch zum Theaterfestival eingeladen zu werden, war wirklich ein großartiges Gefühl! Auch meine Rolle in dem Stück „Mein Kühlraum“ war ein absolutes Highlight und gehört sicher zu einem meiner schönsten Erlebnisse bisher, weil es einfach außergewöhnlich war. Ich habe dafür eine Art Fantasiesprache entwickelt, über die sich das Publikum wirklich amüsiert hat. Das mitzuerleben war klasse!

HINDENBURGER: Herzlichen Dank für die interessanten Einblicke hinter die Kulissen des Jungen Theaters und auch in Ihr Leben als Schauspieler, lieber Herr Daboul!

Wir wünschen dem jungen Schauspieler auch weiterhin alles Gute auf seinem Weg und dass so viel Mut, Ehrgeiz und Ausdauer weiterhin belohnt wird!


Kommentar aus der Redaktion:

Nach dem eigentlichen Interview spricht Raafat Daboul über seinen Weg zur Schauspielerei – und der offenbart sich als echter Hürdenlauf. Nachdem der heute 29-Jährige durch harte Arbeit, konsequentes Training und viel Fleiß bei seinem dritten Versuch endlich am Higher Institute of Dramatic Art an der Universität in Damaskus angenommen wird, der einzigen Schauspielakademie in ganz Syrien, erlebt er einen Anschlag nahe der Universität live mit. Die politische Lage in Syrien spitzt sich immer weiter zu und so entschließt er sich schweren Herzens, sein Heimatland zu verlassen und den langersehnten Studienplatz dort nach eineinhalb Jahren aufzugeben. 2015 kommt er dann nach Deutschland – ohne Sprachkenntnisse, ohne sicheren Job und ohne eine abgeschlossene Schauspielausbildung und muss sich alles neu erarbeiten. Heute ist er professioneller Schauspieler und war unter anderem in „Mein Kühlraum!“, „DRECK!“ von Robert Schneider, „Reigen“ von Arthur Schnitzler, Schillers „Wilhelm Tell“ und in “Die Physiker“ zu sehen.