Jessica Sindermann
Ich freue mich. Nicht nur, weil die Sommerpause des Theaters Krefeld und Mönchengladbach zu Ende ist und die neue Spielzeit 2023/24 startet, sondern auch aufgrund des neuen Spielplans. Ab diesem Monat zeigt das Schauspielensemble nämlich das Theaterstück „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ – eine englische Komödie, in der fünf Dienstmädchen aus ihrem Schattendasein heraustreten und die Zuschauer mitnehmen auf eine wilde Reise durch Jane Austens Roman-Klassiker von 1813.
Inszeniert wird das Stück von der freischaffenden Theaterregisseurin und Schauspielerin Lisa Marie Gramss, die nach ihrem Studium der „freien Kunst“ an der Hochschule der Künste Bern und „Regie“ an der Folkwang Hochschule in Essen bereits Dramatisierungen wie „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe, Arthur Schnitzlers Novelle „Sterben“ oder Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ am Theater Koblenz, Theater Trier, Schauspiel Frankfurt, Theater Baden-Baden und Theater Bonn, inszenierte. Im Interview spreche ich mit der Wahlberlinerin über das Inszenieren und natürlich das neue Theaterstück „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“!
HINDENBURGER: Wie würden Sie Ihren Regiestil beschreiben?
Franziska Marie Gramss: Also ich glaube erst mal, dass ein Regisseur, der seinen Stil gut in Worte fassen oder nach einer ganz bestimmten Methode arbeiten kann, in keinem Fall ein guter Künstler ist! Kunst hat meiner Meinung nach immer etwas mit Unlogik zu tun und mit etwas nicht Rationalem – daher kann sie eigentlich auch nicht durch eine rationale Vorgehensweise beschrieben werden. Das ist im Theater anders als beispielsweise in der Malerei, wo nach bestimmten Prinzipien erschaffen wird und es bestimmte Stile, wie den Impressionismus oder Kubismus, gibt. Ich könnte meinen Stil umschreiben, aber nicht beschreiben.
Ich bin daran interessiert, Wahrheit und Komik des menschlichen Lebens und der menschlichen Beziehungen, die immer voneinander abhängig sind, durch eine Abstraktion zu präsentieren. Das heißt – ich bin niemals an einem psychologischen Realismus interessiert, aber immer an der Psychologie. Wir haben im Theater die Möglichkeit, Dinge, die psychologisch sind, auf eine nicht realistische Weise zu zeigen. Wenn ich meinen Stil also dennoch einordnen müsste, würde ich sagen: formalisiert psychologisch und ich HOFFE doch, sehr musikalisch. (lacht)
HINDENBURGER: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Inszenierung eines Theaterstücks wie „Stolz und Vorurteil“ im Vergleich zu anderen Formen der Bühnenkunst?
Franziska Marie Gramss: Im Theater ist die Form im Vergleich zum Ballett oder der Oper, wo die Struktur ja durch die Partitur und die Choreografie teilweise vorbestimmt ist, viel offener. Bei einem Theatertext ist noch nichts vorgegeben. Jetzt handelt es sich bei „Stolz und Vorurteil“ um ein komödiantisches Theaterstück und Komödien vertragen es in der Regel nicht so gut, wenn man stark vom Realismus abweicht. Dadurch hat man bei der Inszenierung eines solchen Stückes dann schon eine gewisse Einschränkung.
HINDENBURGER: Wie gehen Sie bei der Auswahl eines Stücks vor und welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?
Franziska Marie Gramss: Eigentlich ist es im Stadttheater ja immer so, dass die Dramaturgie sich Gedanken über ein Stück macht und überlegt zu welchem*r Regisseur*in es passen würde. In diesem Fall war es bei „Stolz und Vorurteil“ allerdings so, dass ich das Stück selbst vorgeschlagen habe. Ich hatte über eine befreundete Regisseurin davon gehört.
HINDENBURGER: Welche Rolle spielt die Bühnenbildgestaltung in Ihren Inszenierungen und wie arbeiten Sie mit dem Bühnenbildner*innen zusammen?
Franziska Marie Gramss: Das Bühnenbild ist mir sehr wichtig, denn es bildet das Fundament der Weltbehauptung, die man innerhalb eines Theaterstücks aufstellt. Aufgrund dieser Behauptung finden dann überhaupt erst die Szenen und meine Interpretation statt. Ich könnte mir niemals vorstellen so zu arbeiten, dass ich inszeniere und dazu gibt es dann noch diese „Verkleidung“, die sich „Bühnenbild“ nennt. Das ist meiner Meinung nach einfach nicht ganz ideal, weil zusammengewürfelte Stücke von Ideen meistens keine Gesamtorganik haben.
HINDENBURGER: Wie wichtig ist es für Sie, zeitgenössische Themen oder soziale Botschaften in Ihren Inszenierungen zu behandeln?
Franziska Marie Gramss: Am liebsten möchte ich in meinen Inszenierungen gar keine Meinungen präsentieren, die als solche erkennbar sind. Ein Theaterabend, der ganz klar eine bestimmte Meinung widerspiegelt, ist in meinen Augen definitiv ein schlechter Theaterabend! Denn dadurch gehen Fantasie und Magie verloren.
Wenn ich ein historisches Theaterstück mache, erzähle ich ja trotzdem unsere Welt von heute und unsere Probleme. Und dadurch ist es natürlich mehr oder weniger auch sozial-/ gesellschaftskritisch. Ich kann unsere Welt aber sowohl in zeitgenössischen Stücken, als auch in älteren realistisch präsentieren, ohne eine Lösung aufzuzeigen und das Publikum belehren zu wollen.
HINDENBURGER: Wie bereiten Sie sich auf die Produktion eines Stücks vor?
Franziska Marie Gramss: Ich brauche schon ein halbes Jahr Vorlauf um zu überlegen, was ich grundsätzlich mit dem Stoff machen möchte. Anschließend treffe ich mich dann mit dem/ der Bühnen- und Kostümbildner*in und versuche, die Weltbehauptung des jeweiligen Stückes zu finden.
HINDENBURGER: Erzählen Sie gerne etwas zu „Stolz und Vorurteil“?
Franziska Marie Gramss: „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ ist ein humorvolles Theaterstück mit Musik, das einen parodistischen Blick auf unsere modernen Geschlechterverhältnisse anhand eines Rückblicks auf die Geschlechterverhältnisse zu Zeiten der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zeigt und die Geschichte des Romans von Jane Austen nacherzählt. Thematisiert werden unterschiedliche, komplizierte Liebesgeschichten, die sich in der Familie Bennet abspielen. Alle fünf Töchter sollen verheiratet werden. Ich würde sagen das Stück ist auf jeden Fall für Jedermann geeignet. Im Grunde möchte ich, dass jeder zwischen zwölf und 102 lacht!
HINDENBURGER: Gibt es ein bestimmtes Theaterstück, das Sie gerne inszenieren möchten und warum?
Franziska Marie Gramss: Ohja, da gibt es viele! Zum Beispiel „Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth. Das ist ein ganz tolles Theaterstück! Ich liebe sowieso alle österreichischen Autoren. Sie sind immer an der Grenze zum Realismus und die Sprache ist sehr komprimiert und verdichtet. Das mag ich!
HINDENBURGER: Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: Theater bedeutet für mich….
Franziska Marie Gramss: …angenehm irritiert bis ekstatisch verstört zu werden.
HINDENBURGER: Liebe Frau Gramss, herzlichen Dank für die Einblicke in ihren Beruf als Theaterregisseurin und auch in das neue Stück „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“, das ab diesem Monat ein fester Bestandteil der aktuellen Spielzeit ist!