Jessica Sindermann
Ein kleiner Kurort, ein gut besuchtes Schwimmbad und der Fund keimverseuchten Wassers, das zwei Geschwister auseinandertreibt. Die eine Ärztin, der andere Bürgermeister. Die Moral des Einzelnen gegen die Macht der Mehrheit. Mit diesen Worten lässt sich die Szenerie des Stückes „Eine Volksfeindin“ treffend beschreiben, welches ab dem 13. April auf der Bühne des Theaters Krefeld und Mönchengladbach, in einer Bearbeitung von Schauspieldirektor Christoph Roos unter Verwendung der Fassung für die Berliner Schaubühne von Florian Borchmeyer, zu sehen ist.
Basierend auf dem Stück „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen aus dem Jahr 1882 schafft es der Text, die Komplexität der Frage nach Gerechtigkeit, Moral und Handlungsfähigkeit in einer modernen Gesellschaft darzustellen und scheint aktueller denn je. – Eine Veröffentlichung der heiklen Untersuchungsergebnisse wurde fatale Folgen für die lokale Wirtschaft und das Ansehen der Stadt samt ihres Bürgermeisters haben. Wird die Wahrheit jedoch verborgen, würde das eine Gefahr für die Gesundheit der Badegäste bedeuten. Für welchen Weg entscheidet sich die Badeärztin Frau Doktor Stockmann? Gespielt wird Frau Doktor Stockmann von der gebürtigen Berlinerin Helena Gossmann, die seit der Spielzeit 2023/24 ein Teil des Schauspielensembles ist. Während ihres Studiums an der Musik und Kunst Privatuniversität in Wien stand die 28-Jahrige bereits am Volkstheater Wien sowie am Dschungel Wien auf der Bähne und war anschließend am Pfalztheater Kaiserslautern engagiert. Im Interview spreche ich mit ihr über ihren beruflichen Werdegang, ihre Hauptrolle in dem neuen Stäck „Eine Volksfeindin“ und dessen verborgene Botschaften!
HINDENBURGER: Wie sind Sie zu Ihrem Job gekommen? Wollten Sie von Kind an Schauspielerin werden?
Helena Gossmann: Eigentlich wusste ich schon seit ich vier Jahre alt bin, dass ich Schauspielerin werden möchte. Damals haben wir Schneewittchen und die sieben Zwerge aufgeführt – ich war der Siebte Zwerg und habe dann zu meiner Mutter gesagt „Ich werde irgendwann mal das Schneewittchen!“ Die hat erst gelacht, dann aber gemerkt, dass ich es völlig ernst meinte. Also habe ich mich nach dem Abitur dann bei verschiedenen Schauspielschulen beworben. Mein Studium habe ich dann in Wien absolviert und währenddessen an verschiedenen Theatern gearbeitet. Seit dieser Spielzeit bin ich jetzt hier am Theater Krefeld und Mönchengladbach.
HINDENBURGER: Es ist ja Ihre erste Spielzeit hier, worauf freuen Sie sich besonders? Was erwarten Sie?
Helena Gossmann: Ich bin ja jetzt schon mittendrin. Das Ensemble hat mich wirklich toll aufgenommen! Die Produktionen sind nochmal etwas ganz anderes, weil es sich für mich anfühlt wie „in dem Beruf angekommen sein“. Ich habe mir in Kaiserslautern quasi einen kleinen Handwerkskoffer angeeignet mit vielen verschiedenen Werkzeugen und plötzlich merke ich, dass ich weiß, welche Werkzeuge ich benutzen muss. Das ist eine wirklich schöne Erfahrung! Ich durfte hier ja jetzt schon an tollen Produktionen mitwirken und jetzt freue ich mich sehr auf „Eine Volksfeindin“. Die Proben machen großen Spaß!
HINDENBURGER: Im April feiert das Stück „Eine Volksfeindin“ Premiere, in dem Sie die Hauptrolle spielen. Erzählen Sie gerne etwas über das Stück.
Helena Gossmann: Es ist angelehnt an Ibsens Stuck „Ein Volksfeind“ und in seiner Fassung geht es um einen älteren Herrn, der Arzt ist, drei Kinder und eine Frau hat und eine Entdeckung macht. Alles wirkt auf mich sehr patriarchal. Eines Tages findet er heraus, dass das Wasser in dem Kurbad, das die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Stadt bildet, verseucht ist. Durch diese Verseuchung entstehen Krankheiten wie Hautausschläge Durchfalle oder bakterielle Infektionen. In unserem Stück ist der Herr eine junge Ärztin und heißt Doktor Katharina Stockmann. Sie erzählt ihrem Bruder Peter, dem Bürgermeister der Stadt, von ihrem Fund und für sie ist der Fall völlig klar: Gegen das keimverseuchte Wasser muss etwas getan werden! Das hieße allerdings, auf die Stadt kamen Kosten in Millionenhöhe zu und noch dazu musste das Bad für zwei Jahre geschlossen werden. Peter ist jedoch der Meinung, die Untersuchungsergebnisse dürfen unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit gelangen, da sonst Arbeitsplätze wegfallen würden, keine Besuchenden mehr kämen und man das Bad dichtmachen könne. Es geht um die Wahrheit und um eigene Interessen. Dadurch entstehen Konflikte auf verschiedensten Ebenen.
HINDENBURGER: Was zeichnet Ihre Rolle aus?
Helena Gossmann: Katharina ist eine sehr lebendige Figur die einen sehr großen Durst hat nach Wissen und sie macht nur sehr selten Kompromisse. Sie kämpft für das, was richtig ist und auch darum, Recht zu haben. Es ist ihr wichtig, gehört, respektiert und anerkannt zu werden. Es gibt eine Stelle in dem Stück da sagt Peter über sie, sie sei vollkommen rücksichtslos. Das würde ich so nicht sagen. Ich würde sagen sie ist kompromisslos, da sie sich im recht sieht und ich glaube nicht fassen kann, dass Fakten in Frage gestellt werden. Sie ist sehr impulsiv und ich wurde trotzdem sagen, dass sie auch Humor hat. Sie schaut nicht wirklich nach links und rechts und verrennt sich dadurch sehr schnell, was wiederum spannend ist, mitzuerleben.
HINDENBURGER: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Darstellung Ihrer Rolle in diesem Stück?
Helena Gossmann: Ibsens Dr. Stockmann ist ein Patriarchat, was sicher sowohl an der Zeit, als auch den Umständen liegt, in denen Ibsen „Der Volksfeind“ geschrieben hat. Auch Doktor Katharina Stockmann hat diese Höhenfluge ab und an. Ich glaube, dass diese ein gewisser Gegenschlag gegen alle sind, die ihr nicht viel zutrauen – ein „Ich habe eben doch Recht“. Sie möchte „gefallen“. Ich finde es total spannend, dass es eigentlich auf den ersten Blick komplett egal zu sein scheint, ob diese Figur von einem Mann oder einer Frau gespielt wird und ich mir während der Proben immer wieder denke: Wie schaffe ich es, als Frau diese starken Positionen einzunehmen und nicht in irgendwelche Klischees zu fallen?“ Andersherum frage ich mich auch häufig: „Wie würde ein Mann diese Rolle spielen? Was können wir voneinander lernen? Wo hilft es vielleicht, auch männlich gelesene Attribute zu übernehmen?“ Eine Rolle zu spielen, die extrem auf ihr eigenes Recht beharrt, finde ich großartig, aber gleichzeitig auch herausfordernd. Mit einer starken Meinung macht man sich ja bekannterweise nicht unbedingt beliebt.
HINDENBURGER: Welche Botschaft vermittelt das Stück dem Publikum?
Helena Gossmann: „Es ist nicht immer so wie man denkt, dass es ist.“
HINDENBURGER: Das Stück ist inzwischen fast 150 Jahre alt. Würden Sie sagen, darin steckt trotzdem Aktualität? Wenn ja, inwiefern?
Helena Gossmann: Definitiv! Aktuell ist es auf jeden Fall. Das Stück hat ja mehrere Ebenen. Einmal die geschwisterliche Ebene, die faktisch-wissenschaftliche Ebene und die sozialwissenschaftlich- politische Ebene. Es geht um einen Konflikt, der aufgrund von verschiedenen Interessen aufkommt. Er ist aber kein Komplott, sondern die Menschen sind unabhängig voneinander davon überzeugt, Recht zu haben. Es ist spannend, wie im Laufe des Stückes mit Fakten umgegangen wird und wie viel Macht dann doch letztendlich die öffentliche Meinung hat. Szenarien wie diese sind auch heute noch sehr realitätsnah.
HINDENBURGER: Gibt es eine Szene in dem Stück, die Ihnen besonders gefällt? Warum?
Helena Gossmann: Es ist weniger eine bestimmte Szene oder ein bestimmter Akt, der mir am besten gefällt. Sondern vielmehr die Art, wie sich die Beziehungen der Figuren untereinander während des Stückes verändern. Irgendwann entsteht ein komplett neues Bild, da jede einzelne Figur ihren eigenen Entwicklungsprozess durchmacht.
HINDENBURGER: Wem würden Sie das Stück ans Herz legen?
Helena Gossmann: Eigentlich allen. Allen Menschen, die sich oft in Diskussionen wiederfinden und ein Interesse daran haben zu sehen, wie Menschen und Beziehungen sich verändern. Und entwickeln. Politisch Interessierten, aber auch nicht politisch Interessierten. Da das Stück auf so vielen verschiedenen Ebenen gesehen werden kann, ist für jeden etwas dabei, denke ich.
HINDENBURGER: Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: Theater bedeutet für mich…
Helena Gossmann: … Fragen zu stellen und nicht zu wissen, was die Antwort ist. Und auf jeden Fall Offenheit.
HINDENBURGER: Liebe Frau Gossmann, herzlichen Dank für IHRE Offenheit und die spannenden Einblicke in das neue Stück „Eine Volksfeindin“. Wir drücken die Daumen für die Premiere in Mönchengladbach am 13. April um 19.30 Uhr!
Nach Henrik Ibsen // In einer Bearbeitung von Christoph Roos unter Verwendung der Fassung für die Berliner Schaubühne von Florian Borchmeyer. Dauer: 2:10 Std. inkl. Pause
April:
SO. 07. April Matinee 11:15 Uhr
SA. 13. April Premiere 19:30 Uhr
DI. 16. April 19:30 Uhr
FR. 19. April 19:30 Uhr
FR. 26. April 19:30 Uhr
Mai:
DO. 02. Mai 19:30 Uhr
SO. 05. Mai 16:00 Ur
MI. 08. Mai 19:30 Uhr
SA. 18. Mai 19:30 Uhr
Juni:
SO. 02. Juni 19:30 Uhr
RF. 28. Juni 19:30 Uhr
Tickets sind erhältlich an der Theaterkasse
Odenkirchener Str. 78
41236 Mönchengladbach
Tel. 02166 . 61 51 100
online unter https://theater-kr-mg.de/spielplan/eine-volksfeindin