Souffleuse Martina Schröder sitzt im Theater und hält ein Skriptbuch fest Souffleuse Martina Schröder sitzt im Theater und hält ein Skriptbuch fest
Foto: © Theater KR MG
Martina Schröder ist seit der Spielzeit 2017/2018 Souffleuse am Theater Krefeld und Mönchengladbach
01.01.2022
Theater

Mehr als nur ein Flüstern

Aus dem Leben einer Souffleuse

Redaktion: Jessica Sindermann

Was Sie besonders genießen, wenn Sie ins Theater gehen, ist doch die Unmittelbarkeit dessen, was auf der Bühne geschieht. Sie nehmen im Theatersaal Platz, lehnen sich zurück und richten den Blick auf die Bühne, um dem Ensemble bei der Arbeit zuzusehen: Echten Menschen, die singen, sprechen oder tanzen. Nichts ist aufgezeichnet, alles passiert unmittelbar in diesem Moment und kann nicht unterbrochen oder wiederholt werden, wenn das Stück einmal begonnen hat. Sie sehen als Zuschauer nur das perfekte Geschehen auf der Bühne, vergessen dabei aber meist das Drumherum. Denn auch abseits der Bühne arbeiten Menschen, die mit vollstem Engagement dabei sind und bei jeder Produktion dazu beitragen, dass am Ende alles läuft. Was ist beispielsweise, wenn einer der Schauspieler*innen mal einen Texthänger hat während der Vorstellung? Viele Textbücher weisen so viele Seiten auf wie ein ganzer Roman und da kann genau dieses Szenario selbst den fleißigsten, geübtesten und professionellsten Akteuren mal passieren.

Für die Kontinuität in dieser Misere verantwortlich: Die Souffleuse oder der Souffleur.

Martina Schröder ist seit der Spielzeit 2017/ 2018 Souffleuse am Theater Krefeld und Mönchengladbach und kennt das Schauspielensemble inzwischen wie ihre eigene Hosentasche. Denn sie ist von Beginn an bei jeder Probe für anstehende Produktionen dabei und richtet ihren Fokus allein auf die Schauspielenden und den Text. Ihre Aufgabe ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Darstellenden sich wohlfühlen und fallenlassen können, ohne permanent an ihren Text denken zu müssen. Sollte der einmal vergessen werden, schreitet Martina Schröder zur Tat. „Feingefühl ist für diesen Beruf sehr wichtig und es hilft, wenn die Souffleuse und das Ensemble zusammenwachsen. Daher bin ich nun auch schon in meinem fünften Jahr am Theater hier.

Man lernt, jeden Schauspieler einzuschätzen und zu wissen, wer in welchen Momenten Hilfe benötigt. Wichtig ist es daher, empathisch zu sein, eine gute Menschenkenntnis zu besitzen und einfach ein Gespür dafür zu entwickeln“, erzählt Martina Schröder. Im Laufe der Proben merkt sie schnell, wo die Problematiken liegen; wer schnell lernt und bei wem sich der Text erst sukzessive mit der Rolle gemeinsam entwickelt. „Für mich ist genau das die sozialpsychologisch interessante Sache an diesem Beruf – da herauszufinden wie ich den Einzelnen bestmöglich unterstützen kann.“

Nach dem Germanistikstudium, ist der heute 33-Jährigen schnell klar, dass sie ans Theater will. „Ich hatte mich im Studium bereits auf die angewandte Literaturwissenschaft spezialisiert und mich sehr viel mit Texten auseinandergesetzt. Besonders der Bereich des Theaters hat mich immer schon fasziniert und sich zu einer echten Leidenschaft entwickelt, die ich einfach spannend fand.“ Also hospitiert die heutige Souffleuse zunächst in der Regie am Schauspielhaus in Düsseldorf, sammelt dort erste Erfahrungen und verschafft sich dadurch einen Einblick in Theaterproduktionen. „Ich musste erstmal einen Fuß in die Tür bekommen, denn das geht meist nur über Umwege“, erklärt sie. Im Anschluss daran arbeitet sie in der Dramaturgie am Musiktheater in Gelsenkirchen und ihre Leidenschaft für den Betrieb wächst. Für sie steht fest: Sie möchte definitiv am Theater bleiben und so praktisch wie möglich arbeiten, am liebsten direkt im Probenbetrieb. Passenderweise schreibt das Theater Krefeld und Mönchengladbach damals eine Stelle als Souffleuse aus, für die sich Martina Schröder bewirbt. Bis heute ist sie voller Herzblut dabei und begleitet viele Theaterproduktionen von der ersten Probe bis hin zur letzten Vorstellung. „Als Souffleuse ist man schon sehr am Entstehungsprozess eines Stücks beteiligt, mehr als ich anfangs dachte und das ist auch das Tolle! Ein Teil der Produktion zu sein.“

Anders als in anderen Berufen gibt es für die Soufflage allerdings keinen bestimmten Studiengang und auch keine Ausbildung. „Es ist im Grunde genommen alles Learning-by-doing. Es gibt kein festes Regelwerk und keine Anleitung, wie dieser Beruf auszuüben ist. Aber ein gewisses Interesse und Theaterverständnis sind schon wichtig. Im Laufe der Zeit entwickelt jeder dann ganz individuelle Methoden“, sagt Martina Schröder. Sie selbst arbeitet beispielsweise mit physischen Textheften, die sie dann mit Ausrufezeichen und anderen Markierungen versieht, um komplexe Textstellen, Pausen und Musikeinsätze schriftlich festzuhalten. Im Notfall kann sie so zügig reagieren. „In der Endbühnenphase nutze ich Post-its. Da geht es dann um viele andere technische Dinge und nicht immer finde ich ausreichend Zeit, mit den Darstellenden nochmal den Text durchzugehen. Meine inzwischen berühmten Klebezettel mit Anmerkungen, die ich nach der Probe verteile, sind da wirklich nützlich! Und auch Versprecher aus der Probenzeit schreibe ich gerne mal darauf, die gibt's dann häufig als Premierengeschenk von mir “, erzählt sie schmunzelnd. „Das sorgt dann schon mal für das ein oder andere Gelächter.“

Wenn dann wirklich mal ein Textaussetzer während einer Vorstellung passiert, ist das allerdings auch für die routinierte Martina Schröder eine adrenalingeladene Situation. Früher saß die Souffleuse oder der Souffleur meist in einem Souffleurkasten, der in der Mitte der Bühne unterhalb der Rampe im Bühnenboden eingelassen war. Heute ist das nicht mehr so. „Ich sitze als Souffleuse immer in der ersten Reihe und hoffe natürlich, dass niemand seinen Text vergisst. In 95% aller Fälle ist das auch so. Sollte ich dann aber doch mal einschreiten müssen, verstecke ich das nicht. Ich habe keine In-Ear-Kopfhörer, über die ich den Schauspielern etwas „zuflüstern“ kann, wie viele vielleicht annehmen“, verrät sie. „Tatsächlich sage ich dann laut und deutlich die nächsten zwei bis drei Worte des Textes, denn die müssen ja auch akustisch bis hin zur Bühne gelangen. Da würde flüstern dann nicht wirklich viel helfen…“

Soufflieren ist eben mehr als nur Flüstern. Ein Beruf neben der Bühne, hinter dem genauso viel Leidenschaft, Mühe, Vorbereitung, Empathie und Fleiß stecken wie hinter all den anderen Berufen, die Sie in ihrer Unmittelbarkeit auf der Bühne erleben. Vielleicht sehen Sie Frau Schröder ja bei Ihrem nächsten Theaterbesuch in der ersten Reihe sitzen und nehmen auch die Arbeit der Menschen hinter der Bühne nun vielleicht viel intensiver wahr als vorher. Das wäre sicher für jedes Theatermitglied eine schöne Wertschätzung.

Weitere Informationen zu Berufen hinter der Bühne finden Sie als Podcast unter:
www.theater-kr-mg.de/podcast