Szene aus dem Theaterstück (R)Evolution: Personen sitzen in einem großen "Regal", um das Regal herum ist die Form eines Gehirns Szene aus dem Theaterstück (R)Evolution: Personen sitzen in einem großen "Regal", um das Regal herum ist die Form eines Gehirns
Foto: © Matthias Stutte
Szene aus dem Theaterstück (R)Evolution
01.03.2023
Theater

(R)Evolution

Revolutionäre Szenen auf der Bühne des Theaters Krefeld und Mönchengladbach

Redaktion: Jessica Sindermann

Wir schreiben das Jahr 2040 – Die Digitalisierung ist weiter fortgeschritten, Smart-Home Systeme übernehmen alltägliche Aufgaben und künstliche Intelligenzen werden zu Lebenspartnern und Affären. Der ganz normale Wahnsinn, dessen Darstellungen in den meisten Dystopien nur so vor Tragik strotzen. Anders sieht es in Yeal Ronens und Dimitrij Schaads Theaterinszenierung „(R)Evolution“ aus, die auf der schwarzhumorigen Komödie Homo Deus basiert und im Februar erfolgreich seine Premiere auf der Bühne des Theaters Krefeld und Mönchengladbach feierte.

Auf eine humoristische Weise entführt das Stück die Zuschauer*innen in die digitale Welt der Zukunft, deren System fünf verschiedene Menschen zum Opfer fallen. Welche Rolle dabei die künstliche Intelligenz „Alecto“ spielt und was die futuristische Inszenierung sonst so zu bieten hat, erzählt mir Schauspieldirektor Christoph Roos im Interview!

Übrigens habe auch ich mir „(R)Evolution“ selbst angesehen und mein persönliches Fazit am Ende für Sie zusammengefasst!

HINDENBURGER: Erzählen Sie gerne etwas über das Stück.

Christoph Roos: Yeal Ronens ist eine österreichisch-israelische Theaterregisseurin und hat das Stück erst vor ein paar Jahren gemeinsam mit dem Schauspieler Dimitrij Schaad entwickelt. Es geht darin explizit um die Digitalisierung samt ihren Gefahren, um die Chancen der künstlichen Intelligenz und die Vernetzung unserer Lebenswelt und Geräte untereinander. Das Ergebnis ist eine Abfolge von Szenen. Es gibt also nicht eine durchgehende Geschichte, sondern wir beobachten fünf Personen in verschiedensten Situationen, die locker miteinander verknüpft sind. Themen wie Smart-Home, Überwachung und künstliche Intelligenz werden in dem Stück in die Zukunft projiziert. Im Grunde genommen ist es ein Versuch, wie unsere Zukunft in 20 Jahren vielleicht aussehen könnte.

HINDENBURGER: Was ist das Besondere an dieser Inszenierung?

Christoph Roos: Das Spannende ist, dass es sich um eine Komödie handelt. Es soll die Zuschauer*innen unterhalten, obwohl es doch zum Ende hin in eine beängstigende Richtung umschlägt. Die Übermacht der künstlichen Intelligenz wird nach und nach immer sichtbarerer und gleichermaßen auch, in was sich der Mensch eigentlich hineinbegibt. Eine leichte Komödie über eine nicht ganz so leichte Zukunft. Bei der technischen Umsetzung arbeiten wir hauptsächlich mit Videoprojektionen, die das Ganze verfremden und eine Science-Fiction Atmosphäre erzeugen sollen.

HINDENBURGER: Warum fiel die Entscheidung auf dieses Stück?

Christoph Roos: Zum einen, weil ich es schon länger kannte und einfach selbst witzig fand, zum anderen soll es ein Versuch sein, auch andere Zuschauerschichten fürs Theater zu begeistern, indem wir ein so aktuelles Thema wie Digitalisierung und Smart-Home auf moderne, aber verstehbare Art und Weise auf die Bühne bringen. Dadurch ist das Stück eigentlich für Jedermann geeignet, da es uns alle gleichermaßen betrifft. Ich denke, es gibt kaum noch jemanden, der nicht irgendwelche Berührungspunkte mit der digitalen Welt hat.

HINDENBURGER: Erzählen Sie gerne etwas über die einzelnen Charaktere.

Christoph Roos: Insgesamt geht es um fünf Menschen, die immer wieder im Wechsel auch die künstliche Intelligenz „Alecto“ spielen. Der Name „Alecto“ ist übrigens abgeleitet von Amazons Sprach Sprachassistenz „Alexa“. Mal handelt es sich dabei nur um eine Stimme, mal um einen Roboter und dann wiederum um einen Menschen, dem man kaum noch anmerkt, dass er eigentlich eine künstliche Intelligenz ist. Diese fünf Menschen sind Menschen wie wir – Ein Arzt, der positiv zum System steht und vor der Geburt eines Kindes dessen Genmaterial optimieren soll, jedoch privat Probleme mit seinem Ehepartner hat. Ein junges Paar, welches sich ein zweites Kind wünscht und diesen Arzt kontaktiert und außerdem eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die in Bedrängnis gerät. Die Geschichten aller Figuren können in zwei bis drei Szenen verfolgt werden und in fast allen Fällen enden diese eher beunruhigend.

HINDENBURGER: Das klingt insgesamt nach einer guten Mischung aus witzig und spannend!

Christoph Roos: … und genau das war auch auf jeden Fall das Ziel! Es handelt sich bei dem Stück nicht um etwas philosophisch so Tiefgehendes, das vollkommen neue Erkenntnisse liefert. Aber es ist eben die besondere Art, mit der es jeden anspricht, für Diskussionspotenzial sorgt und Denkanstöße gibt. Die Frage ist ja, wie weit wir vielleicht sogar bereits in dieser Welt leben und ob diese künstliche Intelligenz UNS irgendwann beherrscht, nicht umgekehrt.

HINDENBURGER: Welche Zielgruppe spricht „(R)Evolution“ Ihrer Meinung nach an?

Christoph Roos: Das Stück ist wirklich für jeden gleichermaßen geeignet, da es nicht voraussetzt, dass man irgendeinen bestimmten Bildungshintergrund hat oder besonders viel über Theater weiß. Ziel ist, dass sowohl Jugendliche, als auch Menschen bis ins hohe Alter angesprochen werden und sich durch die aktuelle Thematik mit dem Stück identifizieren können.

HINDENBURGER: Ist die Inszenierung Ihrer Meinung nach ein beispielhaftes Abbild unserer Zukunft in 20 Jahren?

Christoph Roos: Nein. Das wird auch im Prolog augenzwinkernd gleich deutlich gemacht! (lacht) Es ist nicht der Anspruch zu zeigen, wie genau die Zukunft aussehen wird. Wie in jedem guten Science-Fiction-Klassiker reden wir eigentlich nur über die Gegenwart, indem wir die Dinge, wie sie heute sind, überzeichnen und uns mit der heutigen Welt auseinandersetzen. Es geht darum, dass das Publikum sich mit dem auseinandersetzt, was aktuell unserer Realität entspricht.

HINDENBURGER: … und was wird dann aus dem Theater? Was muss Theater in der Zukunft leisten?

Christoph Roos: Das Stück bildet ja auch eine Zukunft des Theaters ab, in der keine richtigen Schauspieler mehr auf der Bühne stehen und jeder das Stück ansehen kann, was er am jeweiligen Tag gerade für angemessen hält. Ich denke, Theater muss weiterhin Geschichten erzählen, die die Menschen heute betreffen und mit unserer Lebensrealität zu tun haben. Das ist das, worauf Theater sich besinnen und dabei selbstbewusst mit altmodischen Mitteln arbeiten sollte. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Theater vor allem über die Schauspieler*innen läuft. Je mehr diese sich selbst entfalten können, umso mehr wird das Publikum in den Bann des Bühnengeschehens gezogen.

HINDENBURGER: Lieber Herr Roos, herzlichen Dank für das Gespräch und auf dass sich Menschen jeden Alters mit dem Ensemble auf eine Reise in unsere Zukunft einlassen!